Der goldene Esel
und sprach endlich: ›O Bruder, ich bitte Dich, nimm Dich in acht, daß Du Dir an dem Weibe die Zunge nicht verbrennst!‹ – ›So?‹ antwortete ich spöttisch. ›Was ist denn mehr mit Deiner Frau Wirtin? Ist sie so mächtig? Sie ist doch wohl nicht etwa eine Königin?‹ – ›Eine Zauberin‹, versetzte er, ›ist sie, eine Fee! Sie kann Dir den Himmel herniederlassen, die Erde emporhangen, die Quellen versteinern, die Felsen zerflößen, die Manen hinauf, die Götter hinabbannen, die Gestirne verdunkeln, den Tartarus selbst erleuchten...‹ – ›Halt, halt!‹ unterbrach ich ihn, ›daß Du nicht noch fällst über die tragischen Stelzen! Packe lieber den theatralischen Plunder ein und sprich mit mir wie andere Leute.‹ – ›Nu, nu,‹ sprach er, ›soll ich Dir eins und das andere von ihren Sächelchen erzählen? Daß sie die Einheimischen nicht allein, sondern die Indier auch, ja die beiden Äthiopier und selbst die Gegenfüßler sterblich in sich verliebt macht, das ist nur erst Kleinigkeit, lauter Spaß! Aber höre nur an, was sie alles vor vieler Leute Augen getan hat. Einer ihrer Buhlen hatte einmal ein Mädchen genotzüchtigt. Mit einem Wort hat sie ihn da in einen wilden Biber verwandelt, um ihn an dem zu strafen, womit er gesündigt; denn dies Tier entmannt sich, um sich nicht fangen zu lassen. Danach tat ihr wieder ein benachbarter Gastwirt zu viel Abbruch in der Nahrung; den hat sie zu einem Frosch gemacht, der bis jetzt noch immer in seinem Weinfasse herumschwimmt und daraus mit heiserer Kehle die alten Kunden zu sich einladet. Ein andermal hat sie einen Advokaten, der einen Prozeß gegen sie geführt hatte, zu einem Schöps umgestaltet. Du kannst den Schöps noch heutigen Tages vor Gericht advozieren sehen. Endlich hatte einmal das Weib ihres Liebhabers ihrer gar zu bitter gespottet. Was hat sie zu tun? Sie verschließt demselben in dem Augenblick, als es entbunden werden sollte, den Leib, treibt ihr die Geburt zurück und verdammt die arme Unglückliche zu einer ewigen Schwangerschaft. Es sind nun schon, wie ihr jeder nachrechnen kann, über acht Jahre, daß sie sich so mit dickem Bauche herumschleppt, gleichsam als sollte sie einen Elefanten zur Welt bringen. Kurz, durch diese und andere dergleichen Streiche kamen gar sehr viele Leute zu Schaden, und der Unwille der ganzen Stadt ward zuletzt darüber rege und nahm so überhand, daß man beschloß, die Unholde andern Tags zu Tode zu steinigen. Allein es hat sich wohl, daß die es hätte dazu kommen lassen! Gleichwie Medea in einer vom Kreon ihr zugestandenen Tagesfrist Palast samt Tochter und Vater vermittelst eines Kranzes zu Asche verbrannte, ebenso hat auch diese in einer einzigen Nacht (wie sie in einem Rausche es mir neulich selbst erzählt) vermittelst fürchterlicher, in Gräbern angestellter Beschwörungen, alle Einwohner der Stadt samt und sonders so fest in ihre Häuser hineingebannt, daß sie ganze zwei Tage weder Schlösser erbrechen noch Tür und Fenster ausheben noch auch durch Mauern und Wände sich Öffnungen machen konnten; bis sie sich endlich insgesamt bequemten und einhellig schrieben und auf das Heiligste sich vermaßen, nicht allein selbst nicht Hand an sie zu legen, sondern sie auch gegen jedermann, der etwas wider sie unternehmen würde, zu verteidigen und zu schützen. Damit zufrieden, hat sie stracks die ganze Stadt wieder entzaubert. Allein den Urheber des wider sie gefaßten Anschlags hat sie bei stockfinstrer Nacht samt dem ganzen Hause (das heißt Gemäuer, Grund und Boden), so verschlossen wie es war, hundert Meilen weit weg in eine Stadt hingetragen, die auf der Spitze eines so hohen Berges gelegen, daß beinahe gar kein Wasser da ist. Weil aber da die Gebäude der Einwohner so dicht aneinander standen, daß für den neuen Ankömmling kein Platz mehr übrig war, so hat sie das Haus nur vor das Stadttor hingeworfen und dann sich wieder heimbegeben.‹–
›Nein, lieber Sokrates,‹ schrie ich, ›das ist arg, das ist wundersam! Nun bin ich gleichfalls angst und bange und bebt mir das Herz vor Furcht im Leibe, daß Deine Alte diese unsere Gespräche nicht auch durch Hilfe eines Geistes wieder erfahre. Laß uns also nur früh Schicht machen, damit wir bald ausschlafen und uns morgen mit dem Allerfrühesten aus dem Staube machen können!‹ – Ich hatte dies noch nicht ausgeredet, so war der gute Sokrates, weil er des Weins ungewohnt und vom Tage her müde war, schon eingeschlummert und schnarchte überlaut.
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