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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Zwei oder drei jüngere Wissenschaftler brachten, dirigiert von Lord Asriel, die hölzerne Kiste nach vorn. Lord Asriel nahm das letzte Bild heraus, ließ die Projektionslampe allerdings an. Von ihrem grellen Lichtkegel dramatisch beleuchtet, bückte er sich, um die Kiste zu öffnen. Lyra hörte das Knirschen, als er die Nägel aus dem feuchten Holz zog. Der Rektor stand auf und verstellte ihr die Sicht. Dann sprach ihr Onkel wieder.
    »Grummans Expedition verschwand, wie Sie sich vielleicht erinnern, vor anderthalb Jahren. Die Deutsche Akademie hatte ihn nach Norden zum Magnetischen Pol geschickt, wo er verschiedene Himmelsbeobachtungen anstellen sollte. Im Verlauf dieser Reise beobachtete er die seltsame Erscheinung, die wir uns soeben angesehen haben. Kurz danach verschwand er. Man nahm an, daß er einen Unfall hatte und seine Leiche in irgendeiner Gletscherspalte lag. Doch es gab keinen solchen Unfall.«
    »Was haben Sie da?« fragte der Dekan. »Ist das ein Vakuumbehälter?«
    Lord Asriel antwortete nicht gleich. Lyra hörte, daß Metallschlösser aufschnappten und zischend Luft in einen Behälter strömte, dann herrschte Schweigen. Allerdings nicht lange. Nur wenige Augenblicke später brach ein Chaos aus. Lyra hörte entsetzte Schreie, lauten Protest und vor Empörung und Angst erhobene Stimmen.
    »Aber was…«
    »…gar nicht menschlich…«
    »…das ist ja…«
    »…wie ist denn das passiert?«
    Die Stimme des Rektors schnitt durch den Lärm.
    »Lord Asriel, was in Gottes Namen ist das hier?«
    »Das ist der Kopf von Stanislaus Grumman«, sagte Lord Asriel.
    Durch das Stimmengewirr hörte Lyra, wie jemand mit würgenden Lauten zur Tür hastete. Sie wünschte, sie hätte sehen können, was die anderen sahen.
    »Ich fand seine Leiche vor Svalbard, im Eis konserviert«, sagte Lord Asriel. »Der Kopf wurde von seinen Mördern so zugerichtet. Sie sehen, daß er nach einer bestimmten Technik skalpiert wurde. Sie dürfte Ihnen bekannt sein, Prorektor.«
    Die Stimme des alten Mannes zitterte nicht, als er antwortete: »Ich kenne sie von den Tataren. Man findet sie bei den Völkern Sibiriens und am Tunguska. Von dort breitete sie sich natürlich zu den Skrälingen aus, obwohl sie in Neudänemark meines Wissens inzwischen verboten ist. Darf ich mir den Kopf genauer ansehen, Lord Asriel?«
    Nach kurzem Schweigen sprach er wieder.
    »Ich sehe nicht mehr so gut, und das Eis ist schmutzig, aber wie mir scheint, hat die Schädeldecke ein Loch. Stimmt das?«
    »Ja.«
    »Eine Trepanation?«
    »Richtig.«
    Erregtes Gemurmel erhob sich. Der Rektor trat aus dem Weg, und Lyra konnte wieder etwas sehen. Im Kegel der Lampe stand der alte Prorektor und hielt sich einen schweren Eisblock dicht vor die Augen, in dem ein Gegenstand eingeschlossen war, eine blutige Masse, die nur noch wenig mit einem menschlichen Kopf gemein hatte. Pantalaimon flatterte unglücklich um Lyra herum.
    »Pst!« flüsterte sie. »Hör zu.«
    »Dr. Grumman war einst Mitglied dieses College«, sagte der Dekan heftig.
    »In die Hände der Tataren zu fallen…«
    »Aber so hoch im Norden?«
    »Sie müssen weiter vorgestoßen sein, als irgend jemand für möglich gehalten hätte!«
    »Sagten Sie nicht, Sie hätten ihn in der Nähe von Svalbard gefunden?« fragte der Dekan.
    »Richtig.«
    »Heißt das, die Panserbjørne haben etwas damit zu tun?«
    Lyra kannte das Wort nicht, aber die anderen Wissenschaftler wußten offensichtlich, was gemeint war.
    »Unmöglich«, sagte der Cassington-Stipendiat entschieden. »So etwas würden sie nie tun.«
    »Dann kennen Sie Iofur Raknison nicht«, sagte der PalmerProfessor, der selbst einige Expeditionen in die Arktis unternommen hatte. »Es würde mich nicht überraschen zu hören, daß er seine Opfer jetzt wie die Tataren skalpiert.«
    Lyra sah wieder zu ihrem Onkel, der die anderen mit einem boshaften Funkeln in den Augen beobachtete und nichts sagte.
    »Wer ist Iofur Raknison?« fragte jemand.
    »Der König von Svalbard«, sagte der Palmer-Professor. »Es stimmt schon, er ist ein Panserbjørne und nur ein Usurpator; er hat den Thron durch Intrigen an sich gerissen, soviel ich weiß. Aber er ist mächtig und keineswegs ein Narr, trotz seiner lächerlichen Angeberei — er läßt sich einen Palast aus importiertem Marmor bauen und will eine Universität gründen, wie er es nennt…«
    »Für wen? Für die Bären?« sagte jemand, und alle lachten.
    »So lächerlich das klingt«, fuhr der Professor fort, »ich sage Ihnen,

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