Der Graf von Monte Christo
der Graf ist ein seltsamer Mann, antwortete Franz, und nur mit Unruhe sehe ich seinem Pariser Aufenthalt entgegen.
Mit Unruhe? Ah! Sie sind befangen, lieber Franz! rief Albert.
Ob befangen, ob nicht, es ist einmal so.
Hören Sie, und es ist mir sehr lieb, daß sich eine Gelegenheit bietet, Ihnen dies zu sagen, ich habe Sie sehr kalt gegen den Grafen gefunden, während mir sein Benehmen gegen Sie tadellos, ja sogar höchst zuvorkommend erschien. Haben Sie etwas Besonderes gegen ihn einzuwenden?
Vielleicht.
Haben Sie ihn etwa schon irgendwo gesehen, ehe Sie ihm hier begegneten?
Allerdings.
Wo?
Versprechen Sie mir, nicht ein Wort von dem zu sagen, was ich Ihnen mitteilen werde?
Ich verspreche es Ihnen.
Gut. Hören Sie.
Hierauf erzählte Franz seinem Freunde den ganzen Verlauf seines Ausflugs nach der Insel Monte Christo, wie er dort mehrere Schmuggler gefunden und unter diesen Schmugglern einige Banditen. Er verweilte bei allen einzelnen Umständen der feenhaften Gastfreundschaft, die ihm der Graf in seiner Grotte hatte angedeihen lassen; er sprach vom Abendessen, vom Haschisch, von den Statuen, von Wirklichkeit und Traum, und wie am Morgen als Beweis und als Erinnerung an all diese Ereignisse nichts mehr übrig geblieben sei, als eine kleine Jacht, die er am Horizont nach Porto Vecchio segeln sah. Dann ging er auf Rom über, auf die Nacht im Kolosseum, auf das Gespräch über Peppino, das er zwischen dem Grafen und Bampa belauscht und wobei der Graf versprochen habe, die Begnadigung des Banditen zu erlangen.
Endlich gelangte er zu dem Abenteuer der vorhergehenden Nacht, zu seiner Verlegenheit, als er gesehen, daß ihm 6 bis 700 Piaster fehlten, um die erforderliche Summe vollständig zu machen, und endlich zu dem Eintreten des Grafen. Albert hörte mit größter Aufmerksamkeit zu.
Nun, sagte er, als sein Freund geendigt hatte, was finden Sie daran auszusetzen? Der Graf hat ein eigenes Schiff, weil er reich ist. Gehen Sie nach Portsmouth oder Southampton, und Sie werden die Häfen voll von Jachten sehen, die reichen Engländern gehören, die dieselbe Neigung haben. Um zu wissen, wo er bei seinen Ausflügen anhalten soll, um nicht aus der abscheulichen Küche zu essen, die mich seit vier Monaten vergiftet, um nicht in den niederträchtigen Betten zu liegen, in denen man nicht schlafen kann, läßt er sich ein Absteigequartier auf Monte Christo einrichten. Nachdem er sein Absteigequartier eingerichtet hat, befürchtet er, die toskanische Regierung könnte ihm die Sache verleiden, und er seiner Aufwendungen verlustig gehen; er kauft daher die Insel und nimmt deren Namen an.
Aber die Banditen, die sich bei seiner Mannschaft befanden? Was sagen Sie zu dem Einfluß des Grafen auf dergleichen Leute?
Ich sage, mein Lieber: Insofern ich aller Wahrscheinlichkeit nach diesem Einfluß das Leben zu verdanken habe, ist es nicht meine Sache, hierüber zu scharf zu urteilen. Statt ihm, wie Sie, ein Hauptverbrechen daraus zu machen, werden Sie begreifen, daß ich ihn entschuldige, nicht weil er mir das Leben gerettet, was vielleicht übertrieben ist, sondern weil er mir 4000 Piaster erspart hat, eine Summe, die gerade 20 000 Franken unseres Geldes gleichkommt, eine Summe, zu der man mich sicherlich in Frankreich nicht angeschlagen hätte, was zum Beweise dient, fügte er lachend bei, daß der Prophet in seinem Vaterlande nie etwas gilt.
Wohl! gerade das ist es. Aus welchem Lande ist der Graf? Welche Sprache spricht er? Welches sind seine Existenzmittel? Woher kommt sein ungeheures Vermögen? Wie war der erste Teil seines Lebens beschaffen? Was hat über den zweiten den düsteren, menschenfeindlichen Schatten geworfen? Das wünschte ich an Ihrer Stelle zu wissen.
Mein lieber Franz, erwiderte Albert, als Sie beim Empfang meines Briefes sahen, daß Sie seines Einflusses bedurften, sagten Sie zu dem Grafen: Albert von Morcerf, mein Freund, ist in Gefahr; helfen Sie mir, ihn dieser Gefahr entziehen! Nicht wahr? – Ja.
Fragte er dann: Wer ist Albert von Morcerf? Woher hat er seinen Namen? Woher sein Vermögen? Welches sind seine Existenzmittel? Welches ist sein Vaterland? Wo ist er geboren? Sprechen Sie, hat er Sie danach gefragt?
Ich muß gestehen, nein.
Er ist ohne weiteres gegangen und hat mich aus Vampas Händen befreit, wo ich eben keine beneidenswerte Rolle spielte. Nun, mein Lieber, wenn er mich dafür um etwas bittet, was man jeden Tag für jeden italienischen oder russischen Fürsten tut, der durch Paris reist,
Weitere Kostenlose Bücher