Der Graf von Monte Christo
mit Gold verziertes Riechfläschchen von böhmischem Kristall, das einen blutroten Saft enthielt, und ließ einen einzigen Tropfen auf die Lippen des Kindes fallen.
Obgleich immer noch bleich, schlug das Kind sogleich die Augen auf. Bei diesem Anblick ward die Mutter beinahe wahnsinnig vor Freude.
Wo bin ich? rief sie, und wem verdanke ich so viel Glück nach einer so grausamen Prüfung?
Gnädige Frau, antwortete Monte Christo, Sie sind bei einem Manne, der sich äußerst glücklich fühlt, daß er Ihnen einen Kummer ersparen konnte.
Oh! fluchwürdige Neugierde, versetzte die Dame; ganz Paris sprach von den schönen Pferden der Frau Danglars, und ich hatte den tollen Gedanken, mit ihnen fahren zu wollen.
Wie? rief der Graf mit vortrefflich gespielter Verwunderung, es sind die Pferde der Baronin?
Ja, mein Herr, Sie kennen sie?
Frau Danglars? ... Ich habe die Ehre, und es gewährt mir doppelte Freude, daß ich Sie der Gefahr entrissen habe, der Sie durch diese Pferde preisgegeben waren; denn Sie hätten diese Gefahr mir zuschreiben können; ich hatte die Pferde gestern dem Baron abgekauft, die Baronin schien dies jedoch sehr zu bedauern, so daß ich sie ihr mit der Bitte, sie von meiner Hand anzunehmen, zurückschickte.
Sie sind also der Graf von Monte Christo, von dem Hermine gestern so viel mit mir sprach?
Ja, gnädige Frau.
Und ich, mein Herr, bin Frau Heloise von Villefort.
Der Graf verbeugte sich wie ein Mensch, vor dem man einen Namen zum ersten Male ausspricht.
Oh! wie dankbar wird Herr von Villefort sein! fuhr Heloise fort, denn Sie haben ihm seine Frau und sein Kind wiedergegeben; ohne Ihren edelmütigen Diener wäre ich sicherlich mit meinem Kinde umgekommen.
Ach! gnädige Frau, ich zittre noch, wenn ich an die Gefahr denke, der Sie ausgesetzt waren.
Oh! ich hoffe, Sie werden mir erlauben, den aufopfernden Dienst dieses Menschen würdig zu belohnen.
Gnädige Frau, ich bitte Sie, verderben Sie mir Ali weder durch Lobeserhebungen, noch durch Belohnungen. Ali ist mein Sklave; dadurch, daß er Ihnen das Leben gerettet hat, dient er mir, und mir zu dienen, ist seine Pflicht.
Aber er hat sein Leben gewagt, sagte Frau von Villefort, auf welche dieser Gebieterton einen seltsamen Eindruck machte.
Ich habe ihm sein Leben gerettet, entgegnete Monte Christo, folglich gehört es mir.
Während des folgenden kurzen Stillschweigens konnte der Graf nach Gefallen das Kind betrachten, das seine Mutter mit ihren Küssen bedeckte. Es war klein, schwächlich, hatte eine so feine weiße Haut, wie sie gewöhnlich nur rothaarige Kinder besitzen, und dennoch bedeckte ein Wald von schwarzen, starren Haaren seine gewölbte Stirn und ließ, an beiden Seiten des Gesichtes auf die Schultern herabfallend, die Lebhaftigkeit seiner einen hohen Grad von Verschlagenheit und Bosheit verratenden Augen noch mehr hervortreten. Sein nun wieder roter Mund war von seinen Lippen umrandet, aber die Mundspalte zu weit; im ganzen deuteten die Züge des kaum achtjährigen Kindes auf mehr als zwölf Jahre. Es war sein erstes, daß er sich mit ungestümer Bewegung aus den Armen seiner Mutter losmachte und das Kästchen öffnete, woraus der Graf das Elixierfläschchen genommen hatte. Dann wollte er, ohne um Erlaubnis zu fragen, die Pfropfen aus den Phiolen ziehen.
Berühren Sie das nicht, sagte der Graf, einige von den Flüssigkeiten sind gefährlich, nicht nur, wenn man sie trinkt, sondern schon, wenn man ihren Geruch einatmet.
Frau von Villefort erbleichte, hielt den Arm ihres Sohnes zurück und zog ihn an sich. Sobald ihre Furcht beschwichtigt war, warf sie auf das Kästchen einen kurzen, aber ausdrucksvollen Blick, der dem Grafen nicht entging.
In dieser Sekunde trat Ali ein.
Frau von Villefort machte eine Bewegung der Freude und sagte, ihren Sohn noch näher an sich ziehend: Eduard, siehst du diesen guten Diener? Er hat sich sehr mutig benommen, denn er setzte sein Leben ein, um die Pferde, die uns fortrissen, und den Wagen anzuhalten. Danke ihm, denn ohne ihn wären wir zu dieser Stunde wohl beide tot.
Das Kind streckte seine Lippen vor, wandte verächtlich den Kopf ab und rief: Er ist zu häßlich!
Der Graf lächelte, als hätte das Kind seine Hoffnung erfüllt; Frau von Villefort aber schalt ihren Sohn.
Siehst du, sagte der Graf arabisch zu Ali, diese Dame bittet ihren Sohn, dir zu danken, daß du ihnen das Leben gerettet hast, und das Kind erwidert, du seiest zu häßlich.
Ali wandte einen Augenblick seinen gescheiten Kopf
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