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Der Graf von Monte Christo

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komme daher, um mich dieser Pflicht zu entledigen und Ihnen meine ganze Erkenntlichkeit auszudrücken.
    Während der Staatsbeamte sprach, verlor sein strenges Auge nichts von seiner gewöhnlichen Anmaßung. Er brachte seine Worte scharf und deutlich mit unsympathischer Stimme hervor.
    Mein Herr, erwiderte der Graf ebenfalls mit eisiger Kälte, ich fühle mich sehr glücklich, daß ich imstande gewesen bin, einen Sohn seiner Mutter zu erhalten, denn das mütterliche Gefühl ist das mächtigste und heiligste von allen. Das Glück, das mir dabei zuteil ward, überhebt Sie der Verbindlichkeit, einer Pflicht nachzukommen, deren Erfüllung mich allerdings ehrt, denn ich weiß, daß Herr von Villefort nicht verschwenderisch mit einer solchen Gunst ist, die aber trotzdem für mich nicht den Wert der inneren Befriedigung hat.
    Erstaunt über diesen Ausfall, auf den er durchaus nicht gefaßt war, bebte Villefort, und ein verächtliches Zucken seiner Lippen deutete an, daß er den Grafen von Monte Christo nicht für einen sehr artigen Edelmann halte.
    Er schaute umher, um an irgend einen Gegenstand das abgebrochene Gespräch anzuknüpfen, und sah die Karte, die Monte Christo im Augenblick seines Eintrittes betrachtet hatte. Sie beschäftigen sich mit Geographie, sagte er. Das ist ein lohnendes Studium, für Sie besonders, der Sie, wie ich höre, so viele Länder gesehen haben, als sich im Atlas verzeichnet finden.
    Ja, antwortete der Graf, ich wollte mit dem Menschengeschlechte im allgemeinen das vornehmen, was Sie täglich an Ausnahmen treiben, nämlich ein psychologisches Studium. Ich dachte, es würde mir dann leichter sein, vom Ganzen aus das Einzelne zu beurteilen. Ein algebraischer Grundsatz verlangt, daß man vom Bekannten zum Unbekannten, und nicht vom Unbekannten zum Bekannten fortschreite ... Aber setzen Sie sich doch, Herr Staatsanwalt, ich bitte Sie.
    Monte Christo bezeichnete dem Staatsanwalt einen Polsterstuhl, den vorzurücken der Gast sich selbst die Mühe nehmen mußte. Der Graf war halb seinem Besuche zugewendet; mit dem Rücken lehnte er sich ans Fenster und mit dem Ellbogen auf die geographische Karte.
    Ah! Sie philosophieren, versetzte Villefort nach einem kurzen Stillschweigen, währenddessen er, wie ein Athlet, der einen mächtigen Gegner trifft, Vorrat an Kräften gesammelt hatte. Nun, mein Herr, bei meinem Ehrenworte, wenn ich wie Sie, nichts zu tun hätte, so würde ich mir wenigstens eine minder öde Beschäftigung suchen.
    Es ist wahr, erwiderte Monte Christo, der Mensch ist eine häßliche Raupe für den, der ihn unter dem Mikroskop betrachtet. Doch Sie sagten, ich hätte nichts zu tun; ... denken Sie etwa, Sie hätten etwas zu tun? Oder, um deutlicher zu sprechen, wähnen Sie, was Sie tun, sei der Mühe wert, davon zu reden?
    Herrn von Villeforts Erstaunen verdoppelte sich bei diesem zweiten scharfen Schlage des seltsamen Gegners; seit langer Zeit hatte er kein so starkes Wort anhören müssen. Er erwiderte sofort:
    Mein Herr, Sie sind ein Fremder und haben nach Ihrer eigenen Äußerung einen Teil Ihres Lebens im Orient zugebracht, Sie wissen also nicht, welchen vorsichtigen, abgemessenen Gang bei uns die in barbarischen Ländern so rasche und blutige Justiz hat.
    Doch, mein Herr, doch; sie geht mit hinkendem Fuße. Ich weiß das alles, denn ich habe mich hauptsächlich mit der Justiz aller Länder beschäftigt, ich habe das kriminelle Verfahren aller Nationen mit der natürlichen Justiz verglichen und hierbei gefunden, daß das Gesetz der Urvölker, das Gesetz der Wiedervergeltung, das ist, das dem Willen Gottes am meisten entspricht. Würde dieses Gesetz eingeführt, mein Herr, entgegnete der Staatsanwalt, so müßte es unsere Gesetzbücher ungemein vereinfachen, und die Beamten hätten sodann, wie Sie soeben sagten, allerdings nicht mehr viel zu tun. Mittlerweile gelten unsere Gesetzbücher mit ihren den gallischen Sitten, den römischen Gesetzen, den fränkischen Gebräuchen entnommenen Bestimmungen; aber die Kenntnis aller dieser Gesetze erwirbt man sich, wie Sie zugestehen werden, nicht ohne lange Arbeiten, und es bedarf zur Erringung dieser Kenntnis ausgedehnter Studien, und ist sie einmal errungen, großer Geisteskraft, sie festzuhalten.
    Ich bin auch dieser Meinung; doch alles, was Sie in Beziehung auf das französische Gesetzbuch wissen, weiß ich nicht nur hinsichtlich des letzteren, sondern auch hinsichtlich der Gesetzbücher aller Nationen. Die englischen, die türkischen, die

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