Der Graf von Monte Christo
eine Art mit dem Grafen von Monte Christo bei Ihnen zusammentreffe; ich will ihn durchaus wiedersehen. Übrigens hat mir Herr von Villefort versprochen, dem Grafen einen Besuch zu machen, und ich hoffe, er wird den Besuch erwidern.
Noch an demselben Abend bildete das Ereignis von Auteuil den Hauptgegenstand der Unterhaltung; Albert erzählte es seiner Mutter, Chateau-Renaud im Jockey-Klub, Debray im Salon des Ministers, Beauchamp sagte dem Grafen sogar in seinem Journal Artigkeiten in einem Artikel von zwanzig Zeilen, der den edlen Fremden zum Helden aller Damen der hohen Aristokratie erhob.
Viele Leute ließen sich bei Frau von Villefort einschreiben, um das Recht zu haben, ihren Besuch zu geeigneter Zeit zu wiederholen und dann aus ihrem Munde alle Einzelheiten des Abenteuers zu vernehmen. Herr von Villefort aber zog, wie Heloise gesagt hatte, einen schwarzen Frack und gelbe Handschuhe an und fuhr noch an demselben Abend vor der Tür des Hauses Nr. 30 in den Champs-Elysées vor.
Staatsanwalt und Kosmopolit.
Hätte der Graf von Monte Christo seit langer Zeit in der Pariser Welt gelebt, so würde er den Schritt des Herrn von Villefort seinem ganzen Werte nach zu schätzen gewußt haben.
Wohlgelitten bei Hofe, überall wegen seiner Gewandtheit gerühmt, von vielen gehaßt, aber von einigen warm beschützt, ohne jedoch von irgend jemand wirklich geliebt zu werden, nahm Herr von Villefort eine hohe Stellung in der Beamtenhierarchie ein. Kalte Höflichkeit und bedingungslose Unterwürfigkeit unter die Grundsätze der Regierung, dabei erbitterter Haß gegen die Idealisten, das waren die bezeichnendsten Eigenschaften dieser Säule des Staates.
Seine Beziehungen zu dem alten Hofe, von dem er stets mit Würde und Ehrfurcht sprach, machten ihn bei dem neuen geachtet, und er wußte so viele Dinge, daß man ihn nicht nur beständig schonte, sondern auch bisweilen zu Rate zog. Vielleicht wäre dem nicht so gewesen, wenn man sich seiner hätte entledigen können, aber Herr von Villefort hauste, wie ehemals rebellische Lehnsträger, in einer unüberwindlichen Feste. Diese Feste war sein Amt als Staatsanwalt, dessen Vorteile er vortrefflich auszubeuten wußte.
Selten machte oder erwiderte er Besuche; seine Frau besorgte dies für ihn, und die Gesellschaft nahm es geduldig hin, indem sie ernsten und zahlreichen Geschäften zuschrieb, was in Wirklichkeit nur eine Berechnung des Stolzes war.
Für seine Freunde war Herr von Villefort ein mächtiger Beschützer, für seine Feinde ein stummer, aber erbitterter Gegner, für die Gleichgültigen verkörperte er das starre Gesetz. Seine Physiognomie zeigte Gleichgültigkeit, sein Auge war matt und glanzlos oder unverschämt durchdringend und forschend. Herr von Villefort stand im Rufe des am wenigsten neugierigen Mannes in Paris. Seine Ungezwungenheit wurde von allen Seiten gerühmt; er gab jedes Jahr einen Ball und erschien dabei nur eine Viertelstunde, das heißt drei Viertelstunden kürzere Zeit als der König bei dem seinigen. Niemals sah man ihn im Theater oder Konzert, oder sonst an einem öffentlichen Orte.
So war der Mann beschaffen, dessen Wagen vor der Tür des Grafen von Monte Christo hielt.
Der Kammerdiener meldete Herrn von Villefort in dem Augenblick, wo der Graf, über einen großen Tisch gebeugt, auf einer Landkarte den Weg von St. Petersburg nach China verfolgte.
Der Staatsanwalt trat mit demselben ernsten, abgemessenen Schritte ein, mit dem er im Tribunal erschien; es war derselbe Mensch oder vielmehr die Fortsetzung desselben Menschen, den wir einst als Staatsanwaltsgehilfen in Marseille gesehen haben. Seine tiefliegenden Augen waren hohl, und seine Brille mit der goldenen Fassung schien einen Teil seines Gesichtes zu bilden; mit Ausnahme seiner weißen Halsbinde war sein ganzer Anzug schwarz, und diese Trauerfarbe wurde nur durch den Streifen eines roten Bandes unterbrochen, der durch sein Knopfloch ging.
So sehr Monte Christo seiner Herr war, so prüfte er doch mit sichtbarer Neugierde den Beamten, der, aus Gewohnheit mißtrauisch, mehr geneigt war, in dem edlen Fremden – so nannte man bereits Monte Christo – einen zur Ausbeutung eines neuen Schauplatzes nach Paris gekommenen Industrieritter oder einen verkappten Missetäter, als sonst etwas zu erblicken.
Mein Herr, sagte Villefort mit schnarrendem Beamtentone, der ausgezeichnete Dienst, den Sie gestern meiner Frau und meinem Sohne geleistet haben, macht es nur zur Pflicht, Ihnen zu danken. Ich
Weitere Kostenlose Bücher