Der Graf von Monte Christo
Franz.
Der Finger des jungen Mannes glitt über die Wörter hin, während Noirtier von Zeit zu Zeit ein verneinendes Zeichen machte und Valentine ihren Kopf in ihren Händen verbarg.
Bald gelangte Franz zu dem Worte: Ich.
Ja! machte der Greis.
Sie? rief Franz, dessen Haare sich auf seinem Haupte sträubten; Sie, Herr Noirtier, Sie haben meinen Vater getötet?
Ja, antwortete Noirtier, einen majestätischen Blick auf den jungen Mann heftend.
Franz fiel wie gelähmt auf einen Stuhl, Villefort aber öffnete die Tür und entfloh.
Die Fortschritte des Herrn Cavalranti Sohn.
Herr Cavalcanti Vater war abgereist, um seinen Dienst wieder anzutreten, nicht in der Armee Seiner Majestät des Kaisers von Österreich, sondern an der Roulette der Bäder von Lucca, zu deren eifrigsten Kunden er gehörte. Es versteht sich von selbst, daß er gewissenhaft bis auf den letzten Heller die Summe mitgenommen hatte, die ihm für seine Reise und als Belohnung für die majestätische Art und Weise, wie er seine Vaterrolle gespielt, angewiesen worden war.
Andrea erbte bei dieser Abreise alle Papiere, die bestätigten, daß er wirklich die Ehre hatte, der Sohn des Marchese Bartolomeo und der Marchesa Oliva Corsinari zu sein.
Er hatte inzwischen gleichsam Anker geworfen in der Pariser Gesellschaft, die so leicht und nachsichtig die Fremden aufnimmt und sie nicht nach dem behandelt, was sie sind, sondern nach dem, was sie sein wollen. So nahm Andrea schon nach vierzehn Tagen eine recht hübsche Stellung ein; man nannte ihn Herr Graf, man sagte, er habe fünfzigtausend Franken Rente, und sprach von den ungeheuren Schätzen seines Vaters, die in den Steinbrüchen von Saravezza vergraben seien.
In dieser Zeit machte Monte Christo eines Abends einen Besuch bei Herrn Danglars. Dieser war ausgegangen; aber man schlug dem Grafen vor, ihn bei der Baronin anzumelden, was er auch annahm.
Seit dem Mittagsmahle in Auteuil und den Ereignissen, die darauf folgten, hörte Frau Danglars den Namen Monte Christo nie ohne nervöse Erregung aussprechen. Blieb dann der Graf in Person aus, so steigerte sich die schmerzliche Empfindung noch; erschien er dagegen, so zerstreuten sein offenes Gesicht, seine glänzenden Augen, seine Liebenswürdigkeit und Höflichkeit gar bald den letzten Eindruck von Furcht bei der Dame.
Als Monte Christo in das Boudoir trat, betrachtete die Baronin eben Zeichnungen, die ihr ihre Tochter hinreichte, nachdem diese sie mit Herrn Cavalcanti Sohn besehen hatte. Der Graf, von der Baronin nach Überwindung des ersten Schrecks bei Nennung seines Namens mit einem Lächeln begrüßt, übersah die ganze Szene mit einem Blicke. Neben der Baronin saß Eugenie in halb liegender Stellung auf einem Lehnsessel, und Cavalcanti stand vor ihr. Schwarz gekleidet mit lackierten Schuhen und durchbrochenen seidenen Strümpfen, fuhr sich der junge Mann mit einer ziemlich weißen und gepflegten Hand in seine blonden Haare, wobei ein Diamant an seiner Hand funkelte.
Diese Bewegung war von mörderisch verliebten Blicken auf Fräulein Danglars begleitet und von Seufzern, die sich an dieselbe Adresse richteten. Fräulein Danglars war immer dieselbe, das heißt schön, kalt und spöttisch. Kein Blick, kein Seufzer entging ihr, doch es war, als glitten sie am Panzer der Minerva ab.
Eugenie begrüßte den Grafen kalt, und sobald die Unterhaltung allgemein und etwas lauter wurde, benutzte sie dies, um sich in ihr Studierzimmer zurückzuziehen, wo bald zwei lachende Stimmen, vermischt mit den Akkorden eines Pianos, dem Grafen bewiesen, daß Fräulein Danglars seiner Gesellschaft und der des Herrn Cavalcanti die von Fräulein Luise d'Armilly, ihrer Gesanglehrerin, vorzog. Während der Graf mit Frau Danglars plauderte und sich ganz dem Reiz der Unterhaltung hinzugeben schien, bemerkte er doch die Unruhe des Herrn Andrea Cavalcanti, der, um zu horchen, bis an die Tür des Zimmers von Fräulein Eugenie ging, aber die Schwelle nicht zu überschreiten wagte.
Bald kehrte der Bankier zurück. Sein erster Blick galt Monte Christo, sein zweiter Andrea.
Haben Sie die Fräulein nicht eingeladen, mit Ihnen zu musizieren? fragte Danglars Andrea.
Nein, mein Herr, antwortete Andrea mit einem Seufzer, der noch auffälliger war als die früheren. Danglars ging sogleich zur Tür und öffnete sie, so daß man die beiden Mädchen auf demselben Sitze nebeneinander vor dem Piano sitzen sah. Fräulein d'Armilly besaß eine interessante Schönheit, oder vielmehr eine
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