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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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demselben Augenblick durch die über ihm zusammenschlagenden Wellen unterdrückten Schrei auspreßte.
    Dantes war ins Meer geschleudert worden, in dessen Tiefe ihn eine an seine Füße gebundene Kugel von 36 Pfund hinabzog, denn das Meer ist der Friedhof des Kastells If.

Die Insel Tiboulen.
     
    Betäubt, fast erstickt, hatte Dantes noch die Geistesgegenwart, seinen Atem zurückzuhalten, und da seine rechte Hand, für alle Fälle bereit, sein Messer geöffnet hielt, so schlitzte er rasch den Sack auf und streckte zuerst den Arm und dann den Kopf heraus. Nun aber fühlte er sich, trotz seiner Bemühungen, die Kugel aufzuheben, fortwährend hinabgezogen. Da bückte er sich, suchte den Strick, der seine Beine zusammenhielt und durchschnitt diesen mit äußerster Anstrengung gerade in dem Augenblick, wo er zu ersticken drohte. Hierauf stieg er mittels eines kräftigen Fußstoßes auf die Oberfläche des Meeres, während die Kugel in unbekannte Tiefen das grobe Gewebe hinabzog, das ihm zum Leichentuche hatte dienen sollen. Dantes nahm sich nur Zeit, Atem zu holen, und tauchte zum zweiten Male unter, denn es mußte seine erste Vorsichtsmaßregel sein, spähenden Blicken zu entgehen.
    Als er zum zweiten Male erschien, war er bereits wenigstens fünfzig Schritte von dem Orte seines Sturzes entfernt; er sah über seinem Haupte einen schwarzen stürmischen Himmel, an dessen Oberfläche der Wind eilige Wolken hinpeitschte, während zuweilen ein sternbesätes Stück Himmel sichtbar wurde. Vor ihm dehnte sich die düstere, tosende Fläche aus, deren Wogen wie beim Herannahen eines Sturmes zu brodeln anfingen, während hinter ihm, einem drohenden Gespenste ähnlich, der Granitriese sich erhob, dessen Spitze wie ein Arm anzuschauen war, der sich ausstreckte, seine Beute wiederzufassen. Auf dem höchsten Felsen erblickte er eine Stocklaterne, die zwei Schatten beleuchtete. Es kam ihm vor, als neigten sich diese Schatten unruhig zum Meere herab. Die Totengräber mußten wirklich den Schrei gehört haben, den er ausgestoßen hatte. Er tauchte abermals unter und legte eine ziemlich lange Strecke unterm Wasser zurück.
    Als er wieder auf die Oberfläche kam, war die Laterne verschwunden. Er mußte sich orientieren. Von den Inseln,die das Schloß If umgeben, liegen Ratonneau und Pomègue am nächsten; aber sie sind bewohnt. Die sichersten Inseln waren daher die unbewohnten, Tiboulen oder Lemaire, die jedoch eine starke Stunde vom Kastell If entfernt sind. Dantes beschloß nichtsdestoweniger, eine von diesen beiden Inseln zu erreichen. Aber wie sie mitten in der Nacht finden? In diesem Augenblick erblickte er das Feuer des Leuchtturms von Planir. Wenn er gerade auf diesen Leuchtturm zuhielt, ließ er die Insel Tiboulen etwas links; er mußte also die Insel auf seinem Wege finden. Freilich betrug die Entfernung mindestens eine Meile, aber Dantes fand zu seiner Freude, daß ihm seine gezwungene Untätigkeit nichts von seiner Kraft und Behendigkeit genommen, und er fühlte, daß er noch Herr des Elementes war, in dem er sich schon als kleines Kind getummelt hatte. Die Furcht verdoppelte überdies seine Kräfte. So oft er sich auf der Spitze einer Woge erhob, umfaßte sein rascher Blick den sichtbaren Horizont und suchte in die dichte Finsternis zu tauchen. Es verging eine Stunde, während deren Dantes, vom Gefühl der Freiheit begeistert, die Wellen in der gewählten Richtung zu durchschneiden fortfuhr.
    Nun schwimme ich bald eine Stunde, sagte er zu sich selbst; doch da mir der Wind entgegenbläst, muß ich eine Viertelstunde zugeben. Ich kann indessen, wenn ich mich nicht in der Richtung getäuscht habe, jetzt nicht mehr fern von der Insel Tiboulen sein. Wenn ich mich aber getäuscht hätte?
    Ein Schauer durchlief den Körper des Schwimmers. Er suchte sich einen Augenblick auf den Rücken zu legen, um auszuruhen, aber das Meer wurde immer heftiger, und er sah, daß dieses Erleichterungsmittel, auf das er gerechnet hatte, unmöglich war.
    Nun gut! sagte er, ich werde bis ans Ende aushalten, bis meine Arme nachlassen und meine Beine erstarren; dann sinke ich auf den Grund.
    Und er schwamm wieder mit der Kraft und dem Antriebe der Verzweiflung. Plötzlich kam es ihm vor, als ob der bereitsdunkle Himmel sich noch mehr verdüsterte, und als ob eine dichte, schwere, gedrängte Wolke sich auf ihn herabsenkte. Zu gleicher Zeit fühlte er einen heftigen Schmerz am Knie, er streckte die Hand aus und berührte die Erde. Nun sah er, was der

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