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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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Stunden verrannen, ohne eine Bewegung im Kastell herbeizuführen, und Dantes erkannte, daß er dieser ersten Gefahr entgangen war. Das galt ihm als gutes Vorzeichen. Zu der vom Gouverneur bestimmten Stunde ließen sich endlich Tritte auf der Treppe hören. Edmond sah, daß der Augenblick gekommen war, raffte seinen ganzen Mut zusammen und hielt den Atem an sich ... und wünschte nur, zugleich auch die hastigen Pulsschläge seiner Arterien zurückhalten zu können.
    An der Tür machte der doppelte Tritt Halt, und Dantes sagte sich, daß es die beiden Totengräber waren, die ihn holen sollten. Diese Mutmaßung verwandelte sich in Gewißheit, als er das Geräusch hörte, das sie beim Niederstellen der Tragbahre machten. Die Tür öffnete sich, ein verschleiertes Licht drang zu Dantes' Augen; durch die Leinwand, die ihn bedeckte, sah er, wie sich zwei Schatten seinem Bette näherten. Ein dritter blieb, eine Stocklaterne in der Hand haltend, an der Tür. Jeder von den beiden Männern, die sich dem Bett genähert hatten, faßte den Sack an einem Ende.
    Der ist schwer genug für einen so magern Alten, sagte der eine, indem er ihn beim Kopfe aufhob.
    Man sagt, jedes Jahr werden die Knochen ein halb Pfund schwerer, sagte der andre und faßte ihn bei den Füßen.
    Hast du deinen Knoten gemacht? fragte der erste.
    Es wäre dumm, wenn wir uns eine unnütze Last aufladen wollten, erwiderte der zweite, ich werde ihn unten machen.
    Du hast recht, vorwärts!
    Warum einen Knoten? fragte sich Dantes.
    Man legte den vermeintlichen Toten vom Bett auf die Tragbahre; Edmond machte sich steif, um die Rolle des Hingeschiedenen besser zu spielen, und beleuchtet von dem Manne mit der Stocklaterne, der vorausging, marschierte der Zug die Treppe hinab. Plötzlich überströmte Edmond die frische, scharfe Nachtluft, an der er den herrschenden Mistral (Nordwestwind im Mittelländischen Meere) erkannte. Die Träger machten ungefähr zwanzig Schritte, dann blieben sie still stehen und setzten die Tragbahre auf die Erde. Einer von ihnen entfernte sich, und Dantes hörte seine Schuhe auf den Platten dröhnen.
    Wo bin ich denn? fragte er sich.
    Weißt du, daß er gar nicht leicht ist? sagte der, welcher bei Dantes geblieben war, und setzte sich auf den Rand der Tragbahre.
    Dantes' erster Gedanke war, sich freizumachen; zum Glück hielt er an sich.
    Leuchte mir doch, sagte der eine Träger, oder ich kann's nicht finden.
    Der Mann mit der Stocklaterne gehorchte diesem Befehle.
    Was sucht er denn? fragte sich Dantes. Vermutlich einen Spaten.
    Ein Ausruf der Zufriedenheit deutete an, daß der Totengräber gefunden hatte, was er suchte.
    Endlich, sagte der andre, das kostete Mühe.
    Ja, aber er wird beim Warten nichts verloren haben.
    Bei diesen Worten näherte er sich Edmond, der einen schweren schallenden Körper neben sich niederlegen hörte; zu gleicher Zeit umgab ein Strick mit schmerzhaftem Drucke seine Füße.
    Nun, ist der Knoten gemacht?
    Und zwar gut gemacht, dafür steh' ich dir.
     

     
    Und die Tragbahre wurde wieder aufgehoben und fortgeschleppt. Man machte ungefähr fünfzig Schritte, blieb abermalsstehen, um eine Tür zu öffnen, und setzte sich dann wieder in Marsch; das Tosen der Wellen, die sich an den Felsen brachen, woraus das Kastell gebaut ist, schlug immer deutlicher an Dantes' Ohr, je mehr man vorrückte.
    Schlimmes Wetter! sagte einer von den Trägern, es wird heute nacht nicht gut in der See sein.
    Ja, der Abbé läuft große Gefahr, naß zu werden, sagte der andre, und sie brachen in ein schallendes Gelächter aus.
    Dantes verstand den Scherz nicht, aber seine Haare sträubten sich.
    Gut! wir sind an Ort und Stelle, sagte der erste.
    Weiter, weiter, rief der andere; du weißt noch, daß der letzte unterwegs an den Felsen zerschellt ist, und daß uns der Gouverneur am andern Tage gelaust hat.
    Es ging noch fünf bis sechs Schritte bergan; dann fühlte Dantes, daß man ihn beim Kopfe und bei den Füßen nahm und schaukelte.
    Eins! sprachen die Totengräber, zwei! drei!
    Zu gleicher Zeit fühlte sich Dantes wirklich in den ungeheuren leeren Raum geschleudert; er durchschnitt die Luft wie ein verwundeter Vogel und fiel immer tiefer mit einem Schrecken, der ihm das Herz starr machte. Obgleich sein rascher Flug noch durch irgend eine ziehende Gewalt beschleunigt wurde, kam es ihm doch vor, als währte sein Sturz ein Jahrhundert. Endlich schoß er mit einem furchtbaren Getöse wie ein Pfeil in das kalte Wasser, das ihm einen, in

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