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Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika (German Edition)

Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika (German Edition)

Titel: Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Mann
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schen, der er gewesen war. Wenn man ihn vom Rand ferngehal ten hätte, hätte man ihm seinen Schneid genommen. Man hätte ihm sein Leben und seine Vitalität genommen, wie Alex nach der Gehirnwäsche in  A Clockwork Orange . 
    Ich erinnerte mich noch an einen Dialog in einem ande ren Film,  Deliverance , in dem der harte Kerl Burt Reynolds Jon Voight und ein paar Großstadt-Loser auf eine Rafting-Tour im Hinterland mitnimmt, die furchtbar schiefgeht. In einer Krisen situation verteidigt Voight ein fettes, nutzloses Gruppenmitglied gegen Reynolds. „In seinem Fachbereich ist er hoch angesehen“, sagt Voight. „Und welcher Fachbereich ist das?“, fragt Reynolds. „Versicherungen“, entgegnet Voight. „Versicherungen?“ Reynolds rümpft die Nase. „Ach du Scheiße.“ Ich habe diesen Dialog immer mit Mark assoziiert. Er hatte nie was für Versicherungen übrig gehabt. 
    ✷ ✷ ✷ 
Das Piratenmeer 
    Ich dachte auch an die kleinen Dinge, die plötzlich merkwür dig prophetisch erschienen. Melissas beunruhigendes Horoskop vor unserem Aufbruch. Carlos, der sagte, dass jemand ertrinken würde. Mark, der kurz vor seinem Tod das Buch über den ertrun kenen Jungen,  Fishboy , erwähnt hatte. Und wie er gesagt hatte, er würde in Arrecifes bleiben. Unser Gespräch während dem San-Pedro-Trip, in dem ich sagte, dass niemand Mark retten würde, wenn er schwimmen ginge. Vor allem aber erinnerte ich mich da ran, wie er gesagt hatte, dass das Meer ihn zu sich rief. Um mit ihm eins zu sein, eins mit der Natur. Am Ende war er von Gesang der Sirenen verführt worden.
    Waren das nur Zufälle, die von einem tragischen Unfall mit Bedeutung aufgeladen wurden? Wahrscheinlich. Oder  gab  es hier doch eine Art merkwürdige Magie? Vielleicht haben  alle  Er eignisse Vorahnungen, die sich wie kleine Wellen vorwärts und rückwärts in der Zeit ausbreiten – so zart, dass nur sehr feinsin nige Menschen sie wahrnehmen können. Vielleicht sendet etwas so Mächtiges wie ein Tod Wellen aus, die so stark sind, dass sogar ich sie wahrnehmen kann. Wenn auch nur in der Rückschau. 
    Wie mochten die letzten Sekunden für Mark gewesen sein? Diese letzten Sekunden, die immer ein Geheimnis bleiben wer den für die, die noch leben. Die plötzliche Erkenntnis …  das war‘s . Das Ende. Wenn man bedenkt, wie sehr er von sich selbst über zeugt gewesen war, war er wahrscheinlich noch in den letzten Sekunden sicher gewesen, dass er davonkommen würde – auch als er dem Kolumbianer gesagt hatte, dass er zurückschwimmen sollte. Ich stellte mir vor, wie er auch im Überlebenskampf die große Geschichte durchdachte, die er bei seiner Rückkehr zum Strand würde erzählen können. Dann die plötzliche Erkenntnis, dass es diesmal keine Story und kein Entkommen geben würde. Ich hoffte nur, dass die Zeitspanne zwischen diesem Augenblick und dem Verlust des Bewusstseins kurz gewesen war. Es war so schnell geschehen – es hatte ihn mitten im Sprung aus seinem kos mischen Tanz gerissen. Wenigstens das war ein Segen gewesen.  
    Es gibt wohl schlimmere Arten zu sterben als draußen in der Brandung, wo er noch im Augenblick des Todes seine Existenz feierte. Ist es denn besser, erst zu sterben, wenn wir alt und ver braucht sind und das Leben langsam verebbt, während das kalte Gesicht der Unendlichkeit auf uns herabblickt und wir auf das Ende warten? Ich erinnerte mich an meinen Großvater, der im vorangegangenen Sommer gestorben war. Als er kaum noch re den konnte, flüsterte er: „Wann ist es zu Ende?“  
    Mein Großvater war 94 gewesen. Sein Tod hatte mich mit ei ner schrecklichen, kalten Furcht erfüllt, die ich eine Ewigkeit nicht loswurde. Er war eine wundervolle, starke Persönlichkeit gewesen, hatte ein langes, erfülltes und lohnenswertes Leben geführt und war bis in die allerletzten Wochen hinein geistig wach und gesund geblieben, voller Begeisterung, Übermut und scharfer Intelligenz. Am Ende sah ich ihm zu, wie er, dünn und verbraucht, um Erlö sung bettelte, auch als die Kraft in seinem Körper sich weigerte, ihn loszulassen. „Wann wird es enden?“, klagte er. Alles, was ich denken konnte, war: „Das ist das Beste, was wir hoffen dürfen.“ Sein Leben war so lang und erfüllt gewesen, wie man bestenfalls hoffen durfte. Und trotzdem endete es unter Schmerzen – und trotzdem zu früh. Vielleicht hatte Mark Glück gehabt: Nicht allzu jung zu sterben (er wäre in drei Monaten 30 geworden), aber schnell und uner wartet. Mitten

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