Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika (German Edition)
Strandpromenade um Essen. Nachts lehnten Huren untätig in Hauseingängen.
Am Abend ging man auf die Promenade. Junge Paare schlen derten durch die von Palmen gesäumte Allee hinter dem Strand; Kokain-Dealer saßen herum und warteten auf Kundschaft. Hin ter den Palmen drehten die Cafés und Restaurants die Salsa-Mu sik auf und kamen allmählich in Gang. In einer Bar, die zur Straße hin offen war, spielte jeden Abend eine Live- Vallenato -Gruppe. Der Sänger jammerte traurige Trinklieder zur Begleitung aus Ak kordeons und Violinen.
„Wenn man tanzen will“, erklärte mir ein junger Kolumbianer, „tanzt man zu Salsa. Aber wenn die Freundin wegläuft, betrinkt man sich und hört Vallenato .“ Es war die Musik der Marimberos – der Marijuana-Bauern und -Schmuggler der siebziger Jahre, die Santa Marta einen kurzfristigen Boom beschert hatten. Die meisten Menschen in Santa Marta waren Mulatos afro-spanischer Herkunft. 37
---37 Der Terminus Mulato bezeichnet eine afro-indianische oder afro-spanische Herkunft (oder alle drei zusammen) – im Unterschied zum Mestizo , der eine indianisch-spanische Herkunft hat.
Hier an der Karibik schien sich jeder mit jedem vermischt zu haben: Spanier, Indianer und Afrikaner. Das Ergebnis waren die Costeños – freundlich, gelassen, voller Lebensfreude und ein kleines bisschen verrückt. Die Costeña -Mädchen waren wunderschön: Hochgewachsen und schlank, mit spöttischen, trotzigen Augen, glatter, kaffeebrauner Haut und langem dunklem Haar. Der schmale Strand vor der Promenade war überraschend sau ber. Schwabbelige Männer mittleren Alters und wunderschöne junge Mädchen joggten den Strand entlang, während ein paar Jugendliche die akrobatische brasilianische Kampfkunst Capoei ra übten. Draußen auf See wurde die Bucht von zwei gewaltigen Öltankern beherrscht.
Das Beste an Santa Marta waren die Obststände – man fühlte sich wie im Obstpalast in Charles Nicholls‘ gleichnamigem Buch.
Das Mädchen, das an dem Stand vor dem Miramar arbeitete, quetschte ihre umwerfende Figur in hautenge Leggings und ein Elastan-Top mit verzogenen schwarzen und weißen Quadraten, die aussahen, als könnte man davon Migräne bekommen, wenn man sie zu lange anstarrte. Ich träumte aber von den Drinks, nicht von dem Mädchen. An den Ständen wurden neben den be kannten Sorten auch Früchte verkauft, von deren Existenz ich bis dahin nie auch nur im Entferntesten gehört hatte. Jeder Stand hatte eine Reihe Drahtkörbe mit bekannten Sorten wie Bananen und Ananas sowie einige weniger bekannte Schätze: Lila Golf bälle, eine Art extrem haarige Kiwi, gelbe Sternfrüchte, große, melonenartige Kugeln und andere geheimnisvolle Früchte mehr. Mein Lieblingsgetränk war Jugo de Maracuyá – Passionsfrucht vermischt mit Milch, Zucker und Eis, das von einem Eisbro cken abgehackt wurde, der auf dem Gehsteig in der Sonne stand. Die Stände waren durch illegal verlegte Kabel mit dem nächsten Stromverteiler verbunden, um den Mixer anzutreiben. Das Er gebnis wurde in riesigen Plastikbechern in leuchtenden Farben serviert. Diese Getränke waren das Paradies auf Erden; die Tage in Santa Marta drehten sich im Grunde nur um die regelmäßigen Besuche an diesen Obstständen.
Falls man Kaffee trinken wollten, liefen Verkäufer mit Ther mosflaschen auf einem Gestell herum, die Tintos verkauften – lauwarme, zuckersüße Espresso-Portionen, die in winzigen Pla stiktassen angeboten wurden. Sie wurden am Morgen gebraut und den ganzen Tag über warm gehalten.
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Kaffee
„Es ist schon merkwürdig, dass man ausgerechnet in Kolumbien keinen vernünftigen Kaffee bekommt“, sagte Melissa. Das war für mich ein Anlass, wieder einmal das Rednerpult zu besteigen.
„So überraschend ist das nicht. Schließlich wird Kaffee hier als reiner Exportartikel angebaut. 38
---38 Kaffee ist Kolumbiens zweitwichtigster Exportartikel und gleichzeitig (nach dem Öl) der am zweithäufigsten gehandelte Artikel der Welt (wenn man illegale Drogen nicht berücksichtigt).
Der hochwertige Kaffee wird so fort verschifft. Das ist typisch für ein Wirtschaftssystem, das eher dem Vorteil des Westens als dem Wohlergehen der Einheimischen dient. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht profitieren die Kolumbi aner nicht wirklich vom Kaffeexport. Einheimische Kaffee-Bauern bekommen nur rund ein Zehntel des Geldes, das wir für den Kaf fee bezahlen. Der Rest geht an Exporteure, Fuhrunternehmen, Rö ster
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