Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika (German Edition)
mit Drogen zu tun. In den USA gibt es im Zusammenhang mit Drogen mehr Morde als in Kolumbien.
„Ich hasse Gringos“, sagte unser Taxifahrer und drehte sich zu uns um, während er ein Auto überholte. „Aber wir sind Gringos“, sagte ich nervös. „Nein, ihr seid Engländer“, erklärte er. „Das ist nix Gringo. Ein Gringo ist Norteamerikano . Ein Yankee.“ Er spuckte aus dem Fen ster und pfiff gleichzeitig einem Mädchen auf der anderen Stra ßenseite zu.
Die kolumbianische Mannschaft hatte eine Chance gehabt, die Yankees zu schlagen: Für jeden Bauern, der ums Überleben kämpfte, wenn der Kaffeepreis fiel; für jedes Straßenkind, das Klebstoff schnüffelte, um seinem Hunger zu entfliehen. Sie haben es vermasselt. Die USA gewannen 2:1.
Eines der Tore war ein Eigentor gewesen – durch einen ko lumbianischen Verteidiger, Andrés Escobar (nicht verwandt mit Pablo). Kurz nach dem Spiel war Escobar aus einem Restaurant in seiner Nachbarschaft gekommen, als ein Mann auf ihn zu ge gangen war, eine Pistole gezogen und ihn durch zwölf Schüsse in die Brust getötet hatte. Zeitungen berichteten, dass der Mann bei jedem Schuss „Gol“ geschrien hatte.
Ob das nur ein Fall von kolumbianischem Fußballfanatismus war oder doch etwas anderes dahintersteckte, bleibt ungeklärt. In Kolumbien erzählte man sich, dass die Drogenkartelle die Na tionalmannschaft mit hohen Geldsummen unterstützt hatten – beträchtliche Summen, die nun in einen Sieg der USA geflossen waren. Nach seiner Eliminierung hatte sich die kolumbianische Mannschaft erheblich verbessert und im letzten Spiel in ihrer Gruppe die Schweiz mit 2:1 geschlagen – eine Leistung, die Spe kulationen über ihre schlechte Aufstellung in den zwei vorange gangenen Spielen nur noch mehr angeheizt hatte.
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Karneval
Der Karneval begann. Ganz Barranquilla säumte die Route des Umzugs. Wir fanden einen Platz zwischen einem Essensstand und einem Bierzelt, die beide Salsa heraus plärrten. Alle tanzten, tranken und verschütten Wasser. „Die Mädchen in Barranquilla sind die schönsten in ganz Kolumbien“, versicherte uns ein Mann neben uns und bot uns Rum an. Kleine Jungen schlängelten sich durch die Menge und boten kleine Schachteln mit Kalkpuder zum Herumwerfen an. Jugendliche liefen vorbei, die mit ihren Wasserpistolen auf alle Mädchen schossen, die sie sahen.
Der Umzug war eine Enttäuschung, vielleicht, weil wir am Ende der Route standen und die Tänzerinnen schon erschöpft waren. Sie gingen unter lautem Jubel vorbei, aber ohne Musik; die meisten Wagen waren nicht mehr als Werbungen für örtliche Rum- oder Bierfirmen. Es spielte aber keine Rolle.
Als sie ankamen, waren die meisten Leute zu betrunken, durch nässt und eingekalkt, als dass es ihnen etwas ausgemacht hätte. Teenager trugen billige Plastik-Masken – Gorillas, Zombies oder einäugige Zyklopen. Männer warfen lebende Schlangen (mit zu genähten Mäulern) um den Hals eines verängstigten „Opfers“, das natürlich immer ein hübsches Mädchen war. Betrunkene Duos, die wie Rambo gekleidet waren und hölzerne Maschinengewehre hatten, streiften durch die Menge; manche hatten sich auch mit schwarzer Farbe und Spielzeug-Pfeil-und-Bogen als indianische oder afrikanische Krieger verkleidet und vollführten gespielte Raubüberfälle. Es wurde erwartet, dass man ihnen ein paar Mün zen gab, um gehen zu dürfen. Transvestiten tänzelten vorbei. In der ganzen Stadt stolzierten Männer mit Bierdosen in der Hand in blonden Afro-Valderrama-Perücken und gelben kolumbia nischen Fußball-Hemden herum.
Der Karneval dauerte vier Tage. Die Prozessionen waren kaum wahrnehmbar. Sie waren lediglich ein Vorwand für ein schwan kendes, torkelndes, betrunkenes Besäufnis. Als die Tage vergin gen, wurden Wasser und Kalk immer verschwenderischer he rumgeworfen, wobei der Nachschub von geschäftstüchtigen jungen Kalkverkäufern schnell aufgestockt wurde. Die Rambos und afrikanischen Krieger wurden zunehmend betrunkener und angriffslustiger, wenn sie Geld forderten, bis sie gelegentlich offen drohten. Die Zahl der Betrunkenen, die in Hauseingängen schlie fen, wuchs täglich.
Abends wurden in den Clubs besondere Konzerte geboten. Wir gingen zu einem, bei dem die große Celia Cruz auftrat. Eigentlich hingen wir nur auf dem Parkplatz herum, der selbst eine Art Mi ni-Festival war, voller Stände und improvisierter Bars. Wir gingen mit einem Deutschen hin, der Rainer hieß. Mit seinem
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