Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika
schön? War er verrückt? Wie schön kann man denn ohne Arme, Beine, Blut oder Kopf aussehen? Konnte dieser Typ etwa Wunder voll bringen? Und vor allem – nach rund 14 Tagen konnte ein wei terer Tag doch wohl keine Rolle spielen. Jedenfalls wussten wir immer noch nicht, wie wir ihn identifizieren sollten. Verständli cherweise wollte sich Eric nur ungern dazu verpflichten, womög lich den falschen Körper zu beerdigen.
Als ihm klar wurde, dass wir den Vertrag nicht unterschreiben wür den, sagte El Jefe , dass sie den Körper nach Santa Marta zurückbringen würden. Zwei von uns könnten im Polizeiauto hinterherfahren. Wir beschlossen, dass Eric und ich wie ursprünglich geplant zum Strand gehen würden. Melissa und Iain würden dem Körper folgen, um zu sehen, was sie in Santa Marta damit machen würden. Abends wollten wir uns in Erics und Iains Hotel in Santa Marta treffen.
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Iss nur noch ein Stück Fleisch
Eric und ich sahen dem Körper nach, der mit seinem Gefolge den Pfad entlang verschwand. Dann brachen wir ebenfalls auf. Ich klammerte mich an die Hoffnung, dass die Schönheit von Ar recifes auf Marks Vater denselben heilsamen Effekt haben würde, den er auf uns ganz sicher hatte. Zum Glück war Eric immer noch ein gesunder, kräftiger Mann. Die Jahre hinter dem Schreibtisch hatten die athletische Figur nicht ganz ausgelaugt, die er in seiner Jugend offensichtlich gehabt hatte. Sein Kopf nahm allerdings ei nen erschreckenden pinkfarbenen Ton an.
Am Strand befragte ich Campbell und die Mädchen über den Körper. Sie sagten, er sei in der vorangegangenen Nacht am En de der Bucht angespült worden, wo ich den Koksdealer mit den silbernen Haaren getroffen hatte, direkt unterhalb der Felsen, auf denen wir unsere kleine Beerdigungszeremonie gehalten hatten. Wir gingen ins Restaurant und saßen dort mit Sandra zusammen, die über Mark redete. Es stellte sich heraus, dass Eric Sandras Va ter in England kannte. Für einen Augenblick nahm die Situation eine ziemlich bizarre Wendung an („wie klein doch die Welt ist“) – wie bei einem Geplänkel auf einer Dinner-Party.
Ich zeigte Eric unser Lager und Marks Zelt. Carlos, der hinter uns an seinem Feuer saß, brachte sein Mitgefühl zum Ausdruck. Er sagte, sein eigener Vater sei im Meer ertrunken, als er, Carlos, noch ein kleiner Junge gewesen sei und in Neapel gelebt habe. Sein Vater war Fischer gewesen; seine Familie hatte immer am Meer gelebt. Carlos wusste, wie tückisch es sein konnte.
„Aberr diese Körrperr. Iss nix Mark, wissen Sie. Iss eine Stück Fleisch, wissen Sie, nur noch eine Stück Fleisch.“
Mir schien, dass das einem trauernden Vater gegenüber nicht ganz der richtige Kommentar war, aber Eric nahm es mit Fassung. Wir gingen durch die Kokosplantagen weiter zu Pablos Haus in der Schwimmbad-Bucht. Ich erklärte, dass Eric gekommen sei, um ihm für seine Bemühungen bei der Suche nach Marks Körper zu danken. Pablo war beim Fischen, aber die Großmutter und ein paar andere Männer waren da. „El padre, el padre“ , murmelten sie. Die normalerweise mürrische Großmutter hörte auf, Fisch zu schaben, kam uns entgegen gewatschelt und umarmte Eric wie eine Mut ter, die ihr Kind umarmt. Eric war ein großer Mann; sie musste sich strecken, um seine Brust zu erreichen. Es war die erste echte körperliche Mitleidsbekundung seit Eric und Iain angekommen waren. Wir hatten uns gegenseitig mit Worten getröstet, aber diese natürliche und einfache Geste vermittelte mehr, als Worte es jemals vermocht hätten – sogar (oder vielleicht gerade) von einer Frem den. Wir baten sie, Pablo unseren Dank zu übermitteln.
Ich wollte Eric am Strand allein lassen, damit er den Ort in sich aufnehmen konnte, aber er wollte nicht gern alleingelassen wer den. Da er gerade erst aus einem Flugzeug aus England gestiegen war, bedeutete es für ihn nicht dasselbe wie für uns. Wenn man sich so lange in einer städtischen oder vorstädtischen Umgebung aufgehalten hat, braucht man Zeit, um sich auf das Natürliche einzustellen. Eric filmte den Strand auf Video, „damit der Rest der Familie ihn sehen kann“ und verbrachte einen Großteil der Zeit damit, mit dem Auge an der Videokamera herumzulaufen.
„Aber Mark war noch so jung, noch so jung“, wiederholte er ständig. „Glaubst du nicht, dass man mit 29 viel zu jung zum Ster ben ist?“ Natürlich glaubte ich das.
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Das Autorennen
Allmählich wurde es spät, also gingen wir zurück. Der Polizist
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