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Der größere Teil der Welt - Roman

Der größere Teil der Welt - Roman

Titel: Der größere Teil der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Egan
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Starkes, Charismatisches und Wildes freisetzte. Alle, die an jenem Tag dort waren, können versichern, dass das Konzert erst wirklich begann, als Scotty aufstand. Denn nun fing er mit den Liedern an, die er in den Jahren im Untergrund geschrieben hatte, Lieder, die niemand kannte und wie sie niemand je gehört hatte – »Meine tausend Augen«, »Nullen und Einsen«, »Wer zuerst wegsieht« – Lieder über Paranoia und Entfremdung, die sich ein Mann aus der Brust gerissen hatte, dem man ansehen konnte, dass er niemals eine Website oder ein Profil oder einen Screenname oder ein Smartpad besessen hatte, der in keiner Datenbank auftauchte, ein Typ, der all diese Jahre in den Ritzen gehaust hatte, vergessen und voll Wut, die jetzt etwas Kompromissloses hatte. Etwas Reines. Aber natürlich ist es heute schwer zu wissen, wer wirklich bei diesem ersten Scotty-Hausmann-Konzert war – das behaupten mehr Leute von sich, als überhaupt dort Platz gehabt haben können, auch wenn das Gelände riesig und überfüllt war. Jetzt, wo Scotty das Königreich des Mythos betreten hat, wollen alle ihn besitzen. Und vielleicht ist das auch richtig so. Gehört ein Mythos denn nicht allen?
    Neben Bennie, der Scotty zusah und gleichzeitig fieberhaft sein Smartpad betätigte, hatte Alex das Gefühl, dass das, was um ihn herum geschah, bereits geschehen war und dass er zurückblickte. Er wünschte, er könnte bei Rebecca und Cara-Ann sein, zuerst vage, dann deutlich und sehnlich. Sein Smartpad hatte keine Probleme damit, das Smartpad seiner Frau ausfindig zu machen, aber er musste diesen Teil der Menge lange mit einem Zoom absuchen, um sie in echt zu entdecken. Dabei überflog er die hingerissenen, manchmal tränenüberströmten Gesichter von Erwachsenen, das erhobene zahnlose Grinsen von Babys und junge Leute wie Lulu, die jetzt die Hand eines stattlichen Schwarzen hielt, während beide Scotty Hausmann mit der ergriffenen Freude einer Generation zusahen, die endlich jemanden entdeckt hat, der ihre Verehrung verdient.
    Schließlich fand er Rebecca, die lächelte und Cara-Ann auf dem Arm hatte. Sie tanzte. Sie waren so weit weg, dass Alex sie nicht erreichen konnte, und die Entfernung kam ihm unwiderruflich vor, ein Abgrund, der ihn für immer davon abhalten würde, die zarte Seide von Rebeccas Augenlidern zu berühren oder durch die Rippen seiner Tochter ihren raschen Herzschlag zu hören. Ohne Zoom hätte er sie nicht einmal sehen können. In seiner Verzweiflung schickte er Rebecca ein T , WarT auf mi, m1 liebsT, dann richtete er den Zoom weiter auf ihr Gesicht, bis er sah, dass sie das Vibrieren bemerkte, sich im Tanz unterbrach und in die Tasche griff.
    »So was passiert dir einmal im Leben, wenn du der größte Glückspilz der Welt bist«, sagte Bennie.
    »Du hast deinen Anteil daran gehabt«, sagte Alex.
    »Hab ich nicht«, sagte Bennie. »Nein, Alex, nein – das sage ich doch gerade! Nicht im Geringsten!« Er befand sich noch immer in einem euphorischen Zustand, den Kragen gelockert und mit den Armen schlenkernd, die Feier war schon vorbei, es hatte Sekt gegeben (für Scotty Jägermeister), Wan-Tan-Essen in Chinatown, tausend Anrufe der Presse waren eingegangen und erledigt, die kleinen Mädchen von den glücklichen, aufgekratzten Frauen im Taxi nach Hause gebracht worden (»Hast du ihn gehört?«, fragte Rebecca Alex immer wieder. »Hast du jemals so was wie ihn gehört?« Dann flüsterte sie ihm ins Ohr: »Frag Bennie doch noch mal nach einem Job!«), und die Sache mit Lulu hatte er abgehakt, als sie ihren Verlobten Joe vorstellte, der aus Kenia stammte und an der Columbia University seine Doktorarbeit über Robotik schrieb. Jetzt war es lange nach Mitternacht, und Bennie und Alex gingen zusammen durch die Lower East Side, weil Bennie zu Fuß gehen wollte. Alex fühlte sich seltsam deprimiert und unbehaglich, weil er diese Depression vor Bennie verstecken musste.
    »Du warst fantastisch, Alex«, sagte Bennie und fuhr Alex durch die Haare. »Du bist ein Naturtalent, das sag ich dir.«
    Naturtalent in was?, hätte Alex fast gefragt, konnte aber noch an sich halten. Stattdessen fragte er nach einer Pause: »Hat bei dir mal eine gewisse … Sasha gearbeitet?«
    Bennie blieb stehen. Der Name blitzte grell gleißend zwischen ihnen in der Luft auf. Sasha. »Ja, stimmt«, sagte Bennie. »Sie war meine Assistentin. Hast du sie gekannt?«
    »Ich bin ihr einmal begegnet, vor langer Zeit.«
    »Sie hat gleich hier um die Ecke gewohnt«,

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