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Der größere Teil der Welt - Roman

Der größere Teil der Welt - Roman

Titel: Der größere Teil der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Egan
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Promiberichterstattung zu begehen, der überhaupt möglich ist: es meinem Gegenüber zu erlauben, den Spieß der Untersuchung umzudrehen, und dann würde ich es nicht mehr in den Griff bekommen können. Schweißperlen an meinen inzwischen riesigen Geheimratsecken kündigen den Druck an, unter dem ich plötzlich stehe, und ich wische den Rest meines Salates mit einem riesigen Stück Brot auf, das ich mir in den Mund stopfe wie ein Zahnarzt, der einen Zahn plombiert. Und genau da – ja wirklich – spüre ich, wie ein Niesen heraufzieht; hier ist es, gegrüßet seist du Maria, Brot oder kein Brot, nichts kann die gleichzeitig donnernde Eruption jedes Hohlraums in meinem Kopf aufhalten. Kitty sieht entsetzt aus, sie weicht vor mir zurück, während ich versuche, das Chaos zu beseitigen.
    Katastrophe verhindert. Oder jedenfalls aufgehalten. »Wissen Sie«, sage ich, als es mir endlich gelungen ist, mein Brot hinunterzuschlucken und meine Nase zu putzen, was mich fast drei Minuten gekostet hat, »ich würde gern einen Spaziergang machen. Was sagen Sie dazu?«
    Bei der Aussicht, an die frische Luft entkommen zu können, springt Kitty geradezu von ihrem Stuhl auf. Es ist ja immerhin ein perfekter Tag, Sonnenlicht flutet durch die Fenster des Restaurants. Aber ihre Vorfreude wird augenblicklich durch ein ebenso großes, aber entgegengesetztes Maß an Vorsicht gedämpft. »Was ist mit Jake?«, fragt sie und meint damit ihren PR -Agenten, der erscheinen soll, wenn unsere vierzig Minuten zu Ende sind, um seinen Zauberstab zu schwenken und mich in einen Tölpel zurückzuverwandeln.
    »Kann er nicht einfach anrufen und später zu uns stoßen?«, frage ich.
    »Schon«, sagt sie und gibt sich alle Mühe, ihre erste Welle von echter Begeisterung nachzuahmen, trotz der mittleren Lage aus Misstrauen, die sich dazwischengeschoben hat. »Sicher, also gehen wir.«
    Eilig bezahle ich die Rechnung. Ich habe nämlich unseren Ausbruch aus mehreren Gründen in die Wege geleitet: Erstens möchte ich mir einige zusätzliche Minuten mit Kitty erschleichen, um diesen Auftrag und im weitesten Sinne meinen einst verheißungsvollen, jetzt schwindenden literarischen Ruf zu retten (»Ich glaube, sie war vielleicht enttäuscht, weil du nicht versucht hast, noch einen Roman zu schreiben, nachdem der erste sich nicht verkauft hat …«, sagte Beatrice Green bei heißem Tee, nachdem ich mich schluchzend auf ihre Türschwelle in Scarsdale geworfen und sie angefleht hatte, mir zu erklären, warum ihre Tochter mich verlassen hatte). Zweitens möchte ich Kitty Jackson in aufrechtem Gang sehen. Deswegen folge ich ihr, während sie sich zwischen den Tischen ihren Weg zum Ausgang des Restaurants bahnt und dabei den Kopf gesenkt hält, wie es außergewöhnlich attraktive Frauen tun oder besonders berühmte Menschen (ganz zu schweigen von solchen wie Kitty, die beides sind). So würde ich ihre Haltung und ihren Gang übersetzen: Ich weiß, dass ich berühmt und unwiderstehlich bin und dass beide Eigenschaften zusammengenommen große Ähnlichkeit mit radioaktiver Strahlung haben – und ich weiß, dass ihr in diesem Raum dagegen hilflos seid. Es ist für beide Seiten peinlich, einander anzusehen und unser gegenseitiges Wissen um meine radioaktive Strahlung und eure Hilflosigkeit einzugestehen, deshalb senke ich den Kopf, damit ihr mich in Ruhe betrachten könnt. Während sich all das abspielt, mustere ich Kittys Beine, die im Verhältnis zu ihrer bescheidenen Größe ziemlich lang sind und außerdem braun, und zwar nicht in diesem Orangebraun der Solarien, sondern in einem sattgoldenen Kastanienbraun, das mich an – na ja, an Pferde erinnert.
    Der Central Park liegt nur einen Block entfernt. Die verstrichene Zeit beträgt einundvierzig Minuten, und der Countdown läuft weiter. Wir betreten den Park. Er ist grün und üppig mit Licht und Schatten, und es ist, als seien wir zusammen in einen tiefen, stillen Weiher getaucht. »Ich habe vergessen, wann wir angefangen haben«, sagt Kitty und schaut auf die Uhr. »Wie viel Zeit haben wir noch?«
    »Ach, das geht schon«, murmele ich. Ich fühle mich irgendwie träumerisch. Im Gehen betrachte ich Kittys Beine (soweit das möglich ist, ohne neben ihr auf dem Boden zu kriechen – was ich durchaus tun würde) und stelle fest, dass sie über den Knien Härchen aus purem Gold hat. Weil Kitty so jung und wohlgenährt ist, so beschützt vor der willkürlichen Grausamkeit anderer, so achtlos gegenüber der Tatsache, dass auch

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