Der groesste Teil der Welt
es zu spät, Lou.
Jetzt lacht er, er lacht sehr laut, und ich weiß, dass wir Freunde sind, Lou und ich. Auch wenn ich ihn eigentlich hasse. Ich stehe von meinem Stuhl auf und gehe zu ihm ans Geländer.
Die Leute werden versuchen, dich zu ändern, Rhea, sagt Lou. Lass das nicht zu.
Aber ich möchte mich ändern.
Nein, sagt er, ernsthaft. Du bist schön. Bleib so.
Aber die Sommersprossen, sage ich, und das Schlucken fällt mir plötzlich schwer.
Die Sommersprossen sind das Beste, sagt Lou. Irgendein Typ wird wegen dieser Sommersprossen durchdrehen. Er wird eine nach der anderen küssen.
Ich fange an zu weinen, ich versuche nicht einmal, es zu verbergen.
Hey, sagt Lou. Er beugt sich zu mir, so dass seine Stirn meine berührt, und schaut mir in die Augen. Er sieht müde aus, als ob jemand über seine Haut gelaufen wäre und Fußspuren hinterlassen hätte. Er sagt, Die Welt ist voller Wichser, Rhea. Hör nicht auf sie - hör auf mich.
Und ich weiß, dass Lou einer dieser Wichser ist. Aber ich höre auf ihn.
Zwei Wochen nach diesem Abend läuft Jocelyn weg. Ich erfahre das gleichzeitig mit allen anderen.
Ihre Mutter kommt sofort zu unserer Wohnung. Sie, meine Eltern und mein älterer Bruder nehmen mich ins Verhör: Was ich weiß? Wer dieser neue Freund ist? Ich sage, Lou. Er lebt in L.A. und hat sechs Kinder. Er kennt Billy Graham persönlich. Ich überlege, dass Bennie vielleicht weiß, wer Lou genau ist, deshalb kommt Jocelyns Mom in unsere Schule, um mit Bennie Salazar zu reden. Aber er ist schwer zu finden. Jetzt, wo Alice und Scotty zusammen sind, kommt Bennie nicht mehr in die Boxengasse. Er und Scotty reden noch immer nicht miteinander, obwohl sie vorher unzertrennlich waren. Jetzt ist es so, als wären sie einander nie begegnet.
Und ich zerbreche mir die ganze Zeit den Kopf. Wenn ich mich von Lou gelöst und gegen die Müllschmeißer gekämpft hätte, wäre Bennie dann zu mir gekommen, wie Scotty zu Alice gekommen ist? Könnte dieser eine Moment alles geändert haben?
Sie finden Lou innerhalb weniger Tage. Er sagt Jocelyns Mom, sie sei den ganzen Weg zu seiner Wohnung getrampt, ohne ihm auch nur Bescheid zu sagen. Er sagt, ihr ist nichts passiert, er kümmert sich um sie, das ist besser, als wenn sie auf der Straße lebt. Lou verspricht, sie mitzubringen, wenn er nächste Woche wieder herkommt. Warum nicht schon diese Woche, frage ich mich.
Während ich auf Jocelyn warte, lädt Alice mich zu sich ein. Wir nehmen nach der Schule den Bus, es ist eine lange Fahrt nach Sea Cliff. Bei Tageslicht sieht das Haus kleiner aus. In der Küche mischen wir Honig unter den selbst gemachten Joghurt ihrer Mutter und essen jede zwei Portionen. Wir gehen in ihr Zimmer zu den vielen Fröschen und sitzen auf dem breiten Fensterbrett. Alice erzählt mir, dass sie sich echte Frösche zulegen und in einem Terrarium halten will. Sie ist ruhig und glücklich jetzt, wo Scotty sie liebt. Ich weiß nicht, ob das jetzt echt ist oder ob es ihr seitdem egal ist, ob sie echt wirkt oder nicht. Oder wird jemand gerade dann echt, wenn es ihn nicht kümmert, wie er wirkt?
Ich frage mich, ob Lous Haus am Meer liegt. Sieht Jocelyn den Wellen zu? Verlassen sie jemals das Schlafzimmer? Ist Rolph da? Ich verliere mich in diesen Fragen. Dann höre ich Kichern und ein leises, klatschendes Geräusch von irgendwoher. Ich frage, Wer ist das?
Meine Schwestern, sagt Alice. Sie spielen Fesselball.
Wir laufen nach unten, in einen Garten hinter dem Haus, den ich bisher nur im Dunkeln kenne. Jetzt scheint die Sonne auf Blumen und einen Zitronenbaum. Am Rand des Gartens schlagen zwei kleine Mädchen einen knallgelben Ball um eine Silberstange. Sie drehen sich zu uns um und lachen uns in ihren grünen Uniformen zu.
Safari
I Gras
»Weißt du noch, Charlie, auf Hawaii? Als wir jeden Abend am Strand waren und es dann angefangen hat zu regnen?«
Rolph redet mit seiner älteren Schwester, Charlene, die ihren richtigen Namen verabscheut. Aber weil sie mit den anderen Safarireisenden um ein Lagerfeuer hocken, und weil Rolph immer relativ wenig spricht, und weil ihr Vater, Lou, der auf einem Campingstuhl hinter ihnen sitzt (während sie mit Stöckchen im Staub herummalen), ein Schallplattenproduzent ist, dessen Privatleben allgemeines Interesse erregt, spitzen die, die nahe genug sitzen, die Ohren.
»Weißt du noch? Wie Mom und Dad noch auf einen Drink am Tisch geblieben sind …«
»Unmöglich«, schaltet ihr Vater sich ein und zwinkert
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