Der groesste Teil der Welt
Vielleicht war das Koks, das wir früher genommen haben, gar kein echtes Koks. Wir setzen uns und erzählen Lou von Flipper, einer neuen Band, von der wir gehört haben, und Lou erzählt uns von der Fahrt mit einem Zug in Afrika, der an den Bahnhöfen nie hielt - er wurde einfach langsamer, damit man auf- oder abspringen konnte. Ich sage, ich möchte auch mal nach Afrika, und Lou sagt, Vielleicht fahren wir drei zusammen hin, und es klingt wirklich so, als sei das möglich. Er sagt, Der Boden in den Hügeln ist so fruchtbar, dass er rot ist, und ich sage, Meine Brüder pflanzen Bohnen, aber die Erde ist nur normale braune Erde, und Jocelyn fragt, Und die Moskitos?, und Lou sagt, Ich habe nie einen schwärzeren Himmel oder einen helleren Mond gesehen, und mir wird bewusst, dass hier und jetzt mein Erwachsenenleben anfängt, an diesem Abend.
Als der Kellner meine Linguini mit Muscheln bringt, kriege ich keinen Bissen hinunter. Nur Lou isst: ein fast rohes Steak, einen Caesar Salad und trinkt dazu Rotwein. Er ist einer von den Leuten, die nicht still sitzen können. Dreimal kommen Fremde an unseren Tisch und begrüßen Lou, aber er stellt uns nicht vor. Wir reden und reden, während unser Essen kalt wird, und als Lou fertig gegessen hat, verlassen wir das Vanessi.
Auf dem Broadway legt er um jede von uns einen Arm. Wir kommen an den üblichen Dingen vorbei: dem schmierigen Typen mit dem Fez, der versucht, Leute in die Kasbah zu locken, den Stripperinnen, die in den Eingängen zum Condor und zum Big Ali’s herumstehen. Punkrocker ziehen in lachenden, sich anrempelnden Banden herum. Auf dem Broadway ist lebhafter Verkehr, die Leute hupen und winken aus ihren Autos, als ob wir auf einer einzigen riesigen Party wären. Mit meinen vielen Augen sieht alles anders aus, als wäre ich ein anderer Mensch geworden. Wenn meine Sommersprossen verschwinden, wird mein ganzes Leben so sein.
Der Türsteher vom Mab erkennt Lou und winkt uns vorbei an der langen Schlange von Leuten, die später die Cramps und die Mutants spielen hören wollen. Drinnen sind Bennie, Scotty und Joel zusammen mit Alice noch beim Aufbau. Jocelyn und ich legen auf der Toilette unsere Hundehalsbänder und Sicherheitsnadeln an. Als wir zurückkommen, stellt Lou sich der Band bereits vor. Bennie schüttelt Lous Hand und sagt, Es ist mir eine Ehre, Sir.
Nach der üblichen sarkastischen Einführung von Dirk Dirksen fangen die Flaming Dildos mit »Schlange im Gras« an. Niemand tanzt oder hört auch nur zu, das Publikum tröpfelt erst nach und nach ein oder schlägt Zeit tot, bis die Bands spielen, wegen denen es gekommen ist. Normalerweise stehen Jocelyn und ich ganz vorn an der Bühne, aber heute Abend halten wir uns im Hintergrund und lehnen mit Lou an der Wand. Er hat uns beiden Gin Tonic gebracht. Ich weiß nicht, ob die Dildos gut oder schlecht klingen, ich kann sie kaum hören, weil mein Herz zu laut klopft und meine tausend Augen im ganzen Raum herumwandern. Von der Seite sieht sein Gesicht angespannt aus, als knirsche er mit den Zähnen.
Marty kommt zur nächsten Nummer auf die Bühne und hampelt dabei so ungeschickt herum, dass er seine Geige fallen lässt. Als er in die Hocke geht, um die Geige wieder einzustöpseln, und dabei seine Arschspalte zeigt, interessiert sich die gelangweilte Menge gerade genug dafür, um einige Beleidigungen zu schreien. Ich wage es nicht einmal, Bennie anzusehen, das hier ist viel zu wichtig.
Als sie mit »Eins und eins« anfangen, brüllt Lou mir ins Ohr, Wer ist auf die Idee mit der Geige gekommen?
Ich sage, Bennie.
Der Typ am Bass?
Ich nicke, und Lou beobachtet Bennie einen Moment lang. Ich schaue ebenfalls zu ihm. Lou sagt, Nicht gerade der beste Bassist.
Aber er ist…, versuche ich zu erklären. Das Ganze ist seine…
Etwas, das aussieht wie Glas, wird auf die Bühne geworfen, aber als es Scottys Gesicht trifft, ist es Gott sei Dank nur Eis aus einem Drink. Scotty zuckt zusammen, spielt aber weiter, und dann kommt eine Budweiserdose geflogen und knallt Marty gegen die Stirn. Jocelyn und ich schauen einander panisch an, aber als wir uns bewegen wollen, hält Lou uns fest. Die Dildos fangen mit »What the Fuck?« an, aber jetzt wird Müll auf die Bühne geschmissen, von vier Typen mit Ketten aus Sicherheitsnadeln, die von ihren Nasenflügeln zu den Ohrläppchen führen. Alle paar Sekunden trifft ein weiterer Drink Scottys Gesicht. Schließlich spielt er mit geschlossenen Augen weiter, und ich frage mich, ob er
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