Der groesste Teil der Welt
Idee, Are. Das müssen Sie zugeben.«
»Der General ist ungeduldig, Miss Peale«, sagte Are, und Dolly stellte sich vor, wie er dabei lächelte. »Die Mütze ist nichts Neues mehr.«
In dieser Nacht erschien der General Dolly im Traum. Die Mütze war verschwunden, und er traf sich vor einer Drehtür mit einer hübschen Blondine. Die Blondine nahm seinen Arm, und sie wirbelten aneinandergeschmiegt ins Haus zurück. Dann entdeckte Dolly sich selbst in diesem Traum. Sie saß in einem Sessel und beobachtete den General und seine Geliebte und dachte dabei, wie gut die beiden doch ihre Rollen spielten. Sie fuhr aus dem Schlaf hoch, als hätte sie jemand geschüttelt. Der Traum wäre ihr fast entglitten, aber Dolly erwischte ihn noch und drückte ihn an sich. Ihr war klar: Der General musste mit einem Filmstar in Verbindung gebracht werden.
Als Dolly vom Sofa aufstand, leuchteten ihre Beine wächsern im Licht der Straßenlaternen, das durch eine kaputte Jalousie sickerte. Ein Filmstar. Eine attraktive Frau mit hoher Beliebtheit - wie könnte man einen Mann, der unmenschlich schien, menschlicher wirken lassen? Wenn er für sie gut genug istwürde einem da durch den Kopf gehen. Und auch: Der General und ich haben einen ähnlichen Geschmack. Sie. Oder auch: Offenbar findet sie seinen kantigen Kopf sexy. Oder sogar: Wie der General wohl tanzt? Wenn Dolly die Leute dazu bringen könnte, sich diese Frage zu stellen, dann wären die Imageprobleme des Generals gelöst. Es spielte keine Rolle, wie viele Tausende er hingemetzelt hatte - wenn der kollektive Blick ihn auf einem Tanzboden sähe, läge das alles hinter ihm.
Es gab Dutzende von gescheiterten weiblichen Stars, die funktionieren könnten, aber Dolly dachte an eine ganz bestimmte: Kitty Jackson, die zehn Jahre zuvor in Oh, Baby, oh als kampflustige, sportliche Verbrechensbekämpferin debütiert hatte. Eigentlich zu Ruhm gekommen war Kitty ein Jahr später, als Jules Jones, der ältere Bruder von einer von Dollys Proteges, sie während eines Interviews für die Zeitschrift Details überfallen hatte. Übergriff und Gerichtsverhandlung hatten Kitty mit dem leuchtenden Heiligenschein einer Märtyrin verklärt. Deshalb waren die Leute umso geschockter, als die Verklärung sich gelichtet hatte und die Schauspielerin auf einmal gewaltig verändert war: Verschwunden war das jugendliche Naivchen, und an seiner Stelle stand eine von denen, die »sich den Scheiß nicht mehr bieten lassen«. Kittys anschließendes schlechtes Benehmen und ihr Sturz in Ungnade wurden in der Boulevardpresse erbarmungslos breitgetreten: Am Set für einen Western hatte sie einem hochverehrten Schauspieler einen Sack Pferdekacke über den Kopf geschüttet; sie hatte bei einem Disneyfilm mehrere tausend Äffchen freigelassen. Als ein übermächtiger Produzent versucht hatte, sie in sein Bett zu zerren, hatte sie dessen Frau angerufen. Niemand mehr wollte Kitty eine Rolle geben, aber sicher würde die Öffentlichkeit sich an sie erinnern - und das war wichtig für Dolly. Außerdem war Kitty erst achtundzwanzig.
Kitty war nicht schwer zu finden: Niemand gab sich große Mühe, sie zu verstecken. Schon mittags hatte Dolly sie erreicht. Sie klang schläfrig und rauchte hörbar. Kitty ließ Dolly ausreden, bat sie, die erwähnte großzügige Honorarsumme noch einmal zu wiederholen, dann verstummte sie. In diesem Schweigen entdeckte Dolly eine Mischung aus Verzweiflung und Zaghaftigkeit, die sie nur zu gut kannte. Ihr wurde mulmig vor Mitleid mit der Schauspielerin, deren Möglichkeiten auf diese eine geschrumpft waren. Dann sagte Kitty Ja.
Aufgeputscht von einem Espresso, den sie sich mit ihrer alten Krups-Maschine gemacht hatte, sang Dolly vor sich hin und rief Are an, um ihm ihren Plan zu erläutern.
»Der General mag keine amerikanischen Filme«, lautete Ares Antwort.
»Das ist doch egal. Hauptsache, die Amerikaner wissen, wer sie ist.«
»Der General hat einen sehr eigenen Geschmack«, sagte Are. »Er macht keine Zugeständnisse.«
»Er braucht sie nicht anzufassen, Are. Er braucht nicht mit ihr zu sprechen. Er muss nur neben ihr stehen und sich fotografieren lassen. Und dabei lächeln.«
»… Lächeln?«
»Er muss glücklich aussehen.«
»Der General lächelt nur selten, Miss Peale.«
»Er hat die Mütze aufgesetzt, oder nicht?«
Daraufhin herrschte ein langes Schweigen, bis Are schließlich sagte: »Sie müssen diese Schauspielerin begleiten. Dann werden wir sehen.«
»Wohin
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