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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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große goldene Glockenschwengel, der beim Geläute zu Glockotonia aus der großen Hofglocke sich losgerissen habe und fortgeflogen sei. König Pumpan sei unterwegs dahin, und wenn die Prinzessin die Reise zum Felsen gleichfalls unternehmen wolle, sei er bereit, ihr den Weg zu weisen.
    Die Prinzessin war sehr erfreut, als mein Meister ihr diese Nachricht mitteilte. Als wir sie nun auf den richtigen Weg gebracht hatten, nahm sie auf die liebreichste Weise Abschied von uns. Ihre große Schönheit war uns aber so zu Herzen gegangen, dass wir nahezu weinten, als sie uns verließ. Nach ihrem Weggange wurde mein Meister auch so traurig, dass er wenige Tage hernach starb. Unter dem Trauergesang der Vögel legte ich ihn in das Grab, das er sich vorher selber geschaufelt hatte, und bedeckte ihn mit Erde; seinen weißen Bart aber ließ ich aus dem Grabe heraushängen, die Grasmücklein baten mich darum, weil sie ein Nestchen hineinbauen wollten.
    Nicht lange darauf fiel mir ein, dass das Jahr um sei. Da nahm ich Abschied vom Walde, um dich, lieber Vater, und euch Brüder in der Heimat aufzusuchen. Als ich mich vor wenigen Augenblicken der Hütte näherte, rief mir vom Apfelbaume her eine Goldamsel zu: ›Höre, Trilltrall! Weißt du auch, dass der Rabe, der die Prinzessin Campanelli nach dem Schlosse des Nachtwächterkönigs Knarratschki führte, ein Betrüger war, denn ihr Vater Pumpan war nicht dort, und jetzt hält der böse Knarratschki die schöne Prinzessin gefangen, weil ihm der goldene Glockenschwengel, der allerdings über die Stadt hinweg nach dem Felsen flog, seine Gemahlin, die Königin Schnarassel, totgeschlagen hat. Nun hat König Pumpan bekannt machen lassen, wer seine Tochter frei mache, der solle sein halbes Königreich bekommen.‹ Das ist’s, warum ich so freudig ausrief: ›Es ist richtig, alles richtig!‹, denn ich denke, wir wollen nicht lange zögern, sondern uns aufmachen, um die Prinzessin Campanelli zu erlösen, damit wir das halbe Königreich gewinnen!« – Klopfstock und seine vier Söhne hatten diese Erzählung Trilltralls mit großer Rührung vernommen. Alle waren sogleich bereit, die Befreiung der Prinzessin zu unternehmen. Der Schulmeister zog seinen schwarzen Rock an, nahm sein spanisches Rohr in die Hand und schloss die Türe seiner Hütte zu; dann gingen sie fort.
    Nach mehreren Tagreisen kamen sie ans Meer. Pitschpatsch machte ein künstliches Binsenschifflein, das sie mit einem jeden Ruderschlag eine Meile weiter in die See hinaustrug. Bald befanden sie sich am Fuße eines Felsens, der wie eine Mauer steil in die Höhe stieg. Gripsgraps nahm in jede Hand einen seiner beiden Dolche und stieß immer einen höher in eine Felsenspalte als den andern; so hob er sich mit einer Geschwindigkeit am Felsen empor, als ob er auf einer Leiter kletterte. Schon war er dem Gipfel nahe, da brachte ihn ein wilder Rabe sehr in Gefahr. Es war derselbe, welcher der Prinzessin das Glöcklein aus der Krone weggestohlen hatte. Der Rabe flog mit abscheulichem Gekrächze dem Gripsgraps um das Haupt und wollte ihm die Augen aushacken. Da ergriff Piffpaff seine Büchse und schoss ihn herunter. Trilltrall fing den Raben auf und nahm ihm das Glöcklein ab, das er am Halse hängen hatte, dann warf er den toten Vogel ins Meer.
    Mittlerweile war Gripsgraps oben auf dem Felsen angekommen. Alsbald sah er die Prinzessin, wie sie traurig am Boden saß und den großen Kopf einer hässlichen, fledermausartigen Gestalt im Schoße liegen hatte. Es war dies der dicke, breite und zottige Nachtwächterkönig Knarratschki, der bei Nacht alle Nachtwächter der Erde überwachen und kommandieren musste, bei Tag aber gewöhnlich schlief. Der Riese hatte seinen Kopf ganz unflätig in den Schoß der Prinzessin gelegt und schnarchte und blies mit der Nase, dass der Staub umher in die Höhe flog. Die Prinzessin musste ihm gar noch ein Schlafliedchen singen. Gripsgraps flüsterte ihr zu, sie solle nur weiter singen und sich zu allem ruhig verhalten. Dann aber wälzte er einen mächtigen Klotz herbei und schob ihn dem Knarratschki unter den Kopf; der Prinzessin aber band er ein langes Seil unter die Arme und ließ sie eiligst hinabschweben vom Felsen in das Schifflein; darauf trat er selber von Spalte zu Spalte den Rückweg an. Der Schulmeister und seine Söhne waren sehr erfreut über all das

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