Der grosse eBook-Raetselkrimi
In einer Berghütte stieß sich niemand daran, dass dieser chirurgische Eingriff auf der Eckbank stattfand, während noch das Geschirr auf dem Tisch stand. »So, jetzt die Ränder mit Hirschtalg einstreichen, damit da außenrum nichts einreißt. Und auf das wunde Fleisch: nichts drauf. Luft hinkommen lassen. Nix Verband, nix Pflaster, verstehst? Keinen Socken heute Nacht. Am besten, Fuß raushängen lassen unter der Decke. Das muss austrocknen. Morgen hauen wir da Hirschtalg drauf, und ich schau mal, ob jemand so ein neumodisches Blasenpflaster hat. Ich glaub ja nicht an so einen Schmarrn, aber ich habe gehört, die wirken Wunder.«
Sie sahen sich von ihren Sitzplätzen aus in der Stube um. Um keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, nahmen sie nicht jede Ecke und jeden Winkel in Augenschein. Die Stube füllte sich immer mehr. Vor der Hüttenruhe um zehn Uhr wollte jeder Gast noch ein Getränk zu sich nehmen. Es gab auch immer noch Neuankömmlinge, die einen riesigen Hunger auf den Berg geschleppt zu haben schienen.
Mehr aus Pflichtbewusstsein als aus wirklichem Forscherdrang nahmen sie ein paar Bücher aus einer Stellage und blätterten sie durch. Nichts von Auffälligkeit.
Kurz nach neun verzog sich Stephanie Gärtner in das Zimmer. Sie wollte nicht, dass es so aussähe, als gingen sie zusammen zu Bett. Sie könnte sich dann schon schlafend stellen, wenn Plank käme. Und den Fuß unter der Decke herausstrecken.
Plank genehmigte sich dann doch einen Rotwein, um runterzukommen, bestellte Teewasser für die Nacht und sah sich noch weiter in der Hütte um, ob er nicht doch einen Hinweis von Spindler fände. Er suchte die Herrentoiletten nach Spindlerschen Aufgaben ab, die vielleicht in den versauten Klosprüchen versteckt waren, die es natürlich auch hier gab. Zu angestrengt suchte er allerdings nicht. Nach diesem langen Tag, dem strammen Marsch und den Unbilden des Wetters war er froh, einmal seine Ruhe zu haben. Rechtschaffen müde war er auch. Er setzte sich wieder in den Gastraum und bestellte sich noch ein Gute-Nacht-Achterl vom Blauen Zweigelt.
Von der Tür her, die nach oben zu den Schlafräumen führte, hörte er plötzlich Stephanie Gärtners Stimme. »Anselm, komm schnell rauf!«
Als er sich zu ihr umdrehte, schloss sich die Tür bereits wieder. Sie war verschwunden. »Bei aller Liebe – das ist mir jetzt etwas zu eilig«, dachte er sich noch, tat jedoch, wie ihm geheißen. Die müden Oberschenkel ließen ihn die ersten Meter humpeln. Wo war sie hin? Natürlich: in Zimmer 12. Er hievte sich die enge steile Treppe hinauf. Die Tür mit der 12 stand offen. Stephanie Gärtner stand in der Mitte des Raumes. Gemeinsam sahen sie den Hinweis, den Spindler hinterlassen hatte. Wieso hatten sie den Zettel vorhin nicht gesehen, als sie die Rucksäcke hier deponiert und sich umgezogen hatten? Sie waren wohl zu ausgelaugt gewesen. Doch an der Deckenlampe war mit einem Streifen Klebeband ein Zettel angebracht. Im Schein der 15-Watt-Funzel sahen sie …
»Erniedrigend. Er spielt Katz und Maus mit uns. Der Sack hat uns beobachtet. Er weiß jetzt, dass wir zu zweit sind. Er schreibt zweite Person Plural«, grunzte Anselm Plank.
»Ach, hat’s der Herr Erste Kriminalhauptkommissar auch schon gemerkt. Aber eines sage ich dir: Jetzt starte ich da nicht in die Nacht hinaus. Dein Freund Spindler muss bis morgen warten, bis er wieder seinen Spaß mit uns hat.«
»Schon gut. Würde auch keinen Sinn machen. Jetzt müssen wir erst mal herausfinden, welcher Gipfel nach dem längsten Tag des Jahres benannt ist.«
»Na, mein lieber Bergkamerad, da kommt ja sogar eine vom platten Land drauf. Der längste Tag des Jahres ist doch im Juni, oder? Sommersonnenwende. Ich google mal schnell, wann die genau ist.« Sie langte nach dem Smartphone, das neben ihrem Stockbett auf einem Ablagebrett zum Aufladen lag, und rief die Suchseite auf.
»Lass dein Digitalhirn aus. Die ist am 21. Juni.«
Sie legte das Smartphone wieder neben das Bett. »Na, dann ist es doch sicher der Sonnwendspitze oder der Juniberg oder die Einundzwanzigerwand oder wie ihr hier eure Berge benennt«, meinte Stephanie Gärtner.
»Klingt sehr logisch. Nur gibt es keinen Berg, der so heißt. Zumindest kenne ich keinen. Muss aber nichts heißen. Wir müssen mal runter und im Alpenvereinsjahrbuch nachschauen. Aber das kriegen wir raus. Das Karwendelhaus – das kenne ich wenigstens. Das ist nicht weit von hier, da habe ich schon mal übernachtet.«
»Gibt es auch
Weitere Kostenlose Bücher