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Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Ausbruch? Nicht aus Newgate.«
    »Vielleicht kann Sauber-Willy einen Weg finden.«
    »Niemand kann das«, sagte Agar. »Das haben schon andere vor ihm versucht.«
    »Ich schicke ihm einen Kassiber«, sagte Pierce, »und dann wollen wir sehen.«
    Agar nickte. »Hoffen kann man ja«, sagte er, »aber mehr nicht.«
    Die beiden Männer wandten ihre Aufmerksamkeit wieder den Büroräumen zu. Pierce starrte zu dem Lagerraum hinauf und sah sich den kleinen Wandschrank an.
    Jetzt fiel Pierce ein, daß er ihn noch nie offen gesehen hatte. Ihm kam der Gedanke: Was, wenn sich mehrere Schlüssel – vielleicht Dutzende – in diesem Schränkchen befanden? Woher sollte Agar wissen, von welchen Schlüsseln er einen Abdruck machen sollte?
    »Da kommt die Polente«, sagte Agar.
    Pierce wandte sich um und sah den Konstabler seine Runde machen. Er drückte auf seinen Chronographen: 7 Minuten und 47 Sekunden seit dem letzten Rundgang. Nachts würde der Beamte wohl in kürzeren Abständen patrouillieren.
    »Sehen Sie ein Versteck?« fragte Pierce.
    Agar wies mit einem Kopfnicken auf einen Gepäckständer in einer Ecke der Halle, keine zwölf Schritte von der Treppe entfernt.
    »Das müßte genügen.«
    »Durchaus«, sagte Pierce.
    Die beiden Männer blieben bis sieben Uhr abends auf ihrer Bank sitzen. Da verließen die Bahnbeamten das Büro und gingen nach Hause. Um zwanzig nach sieben verließ auch der Fahrdienstleiter seinen Dienstraum und schloß die Außentür hinter sich ab. Agar nahm den Schlüssel aus der Entfernung aufs Korn.
    »Was für ein Schlüssel ist es?« fragte Pierce.
    »Ein simpler Dietrich tut’s auch«, erwiderte Agar.
    Die beiden Männer blieben noch eine weitere Stunde sitzen, bis es ihnen nicht mehr geraten erschien, sich noch länger auf dem Bahnsteig aufzuhalten. Der letzte Zug war bereits abgefahren, und sie fielen jetzt zu sehr auf. Sie blieben nur noch lange genug, um den Konstabler von der Nachtschicht zu stoppen, als dieser seine Rundgänge durch den Bahnhof aufnahm. Der Konstabler kam alle fünf Minuten und drei Sekunden am Büro des Fahrdienstleiters vorüber.
    Pierce drückte den Knopf seines Chronographen und blickte auf das zweite Zifferblatt. »Fünf drei«, sagte er.
    »Kleinigkeit«, sagte Agar.
    »Werden Sie es schaffen?«
    »Natürlich schaffe ich es«, sagte Agar. »In der Zeit mache ich spielend einer Frau ein Kind – wie ich schon sagte, eine Kleinigkeit. Fünf drei?«
    »Eine Zigarre zünde ich mir aber schneller an«, erinnerte ihn Pierce.
    »Ich schaffe es«, sagte Agar fest, »wenn ich einen Schlangenjungen wie Sauber-Willy habe.«
    Die beiden Männer verließen den Bahnhof. Als sie in die hereinbrechende Nacht hinaustraten, winkte Pierce seine Kutsche heran. Der Kutscher, der eine Narbe auf der Stirn hatte, gab dem Pferd die Peitsche, und der Wagen kam auf den Eingang des Bahnhofs zugerattert.
    »Wann stoßen wir das Ding?« fragte Agar.
    Pierce gab ihm ein Goldstück. »Wenn ich Ihnen Bescheid gebe«, sagte er. Er bestieg seine Kutsche und fuhr in die dunkler werdende Nacht.

Das Problem
    Mitte Juli 1854 wußte Edward Pierce, wo sich drei der vier Schlüssel befanden. Zwei hingen in dem grünen Schränkchen des Fahrdienstleiters der South Eastern Railway. Der dritte hing am Hals von Henry Fowler. Diese drei Schlüssel waren für Pierce kein größeres Problem.
    Natürlich mußte der günstigste Augenblick für einen unbeobachteten Einstieg ermittelt werden, damit die Wachsabdrücke gemacht werden konnten. Außerdem mußte ein fähiger Schlangenjunge gefunden werden, der bei dem Einbruch in das Bahnbüro helfen sollte. Doch dies waren keine unüberwindlichen Hindernisse.
    Wirklich schwierig dagegen war die Sache mit dem vierten Schlüssel. Pierce wußte, daß der vierte Schlüssel sich in der Obhut von Mr. Trent, dem Seniorchef der Bank, befand.
    Er wußte aber nicht, wo Mr. Trent ihn aufbewahrte. Und das in Erfahrung zu bringen war keine leichte Aufgabe. Sie sollte Pierce in den nächsten vier Monaten vollauf beschäftigt halten. Hier sind wohl einige Erklärungen angebracht. 1854 stand Alfred Nobel noch am Anfang seiner Laufbahn. Es sollte noch zehn Jahre dauern, bis er das Dynamit entdeckte.
    Und Nitroglyzerin-»Gelee« sollte es erst viel später geben. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts bot also jeder einigermaßen fachmännisch konstruierte Metallsafe wirksamen Schutz gegen Diebstahl.
    Dies war so allgemein bekannt, daß die Hersteller von Geldschränken ihr Hauptaugenmerk darauf

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