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Der Große Krieg: Die Welt 1914 bis 1918

Der Große Krieg: Die Welt 1914 bis 1918

Titel: Der Große Krieg: Die Welt 1914 bis 1918 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Münkler
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gewesen seien, die als Vertreter der kritischen Vernunft und der klugen Zurückhaltung auftraten, wie dies eine weit verbreitete Vorstellung nahelegt. Nicht nur die wenigen Skeptiker und Pazifisten, die vor dem Krieg gewarnt und nach seinem Ausbruch auf seine schnelle Beendigung gedrängt haben, sondern auch die Annexionisten waren Intellektuelle. Viele von ihnen sind dezidiert regierungskritisch aufgetreten und haben dabei – ohne spezifische Expertise und rein wertorientiert argumentierend – im typischen Stil von Intellektuellen den auf eine Politik der Zurückhaltung und Mäßigung bedachten Reichskanzler Bethmann Hollweg aufs heftigste attackiert. Der Erste Weltkrieg war der erste Krieg, in dem die Intellektuellen, und zwar auf beiden Seiten, eine politisch einflussreiche Rolle gespielt haben: Die Deutungseliten haben sich nachhaltig in das Geschäft der Entscheidungseliten eingemischt, und dabei haben sie mehr zur Eskalation als zur Moderation des Kriegsgeschehens beigetragen. Viel bedeutsamer für eine kritische Stellungnahme zum Krieg als der «Ehrentitel» des Intellektuellen waren politische Urteilskraft und pragmatische Nüchternheit, über die beispielsweise Max Weber verfügte. Von Hause aus eigentlich ein glühender Nationalist und Anhänger einer imperialen Politik Deutschlands, erkannte er schon früh die prekäre Lage der Mittelmächte, drängte auf einen Verständigungsfrieden, lehnte Annexionen ab und sprach sich strikt gegen den uneingeschränkten U-Boot-Krieg aus.
    Die intellektuellen Vordenker wie Kritiker des Kriegsgeschehens in Deutschland stehen für eine Ebene zeitgenössischer Reflexion, die in der nachfolgenden Analyse ihrerseits reflexiv gebrochen wird. Zu den «Fellow travellers» der Darstellung gehören Literaten wie Jaroslav Hašek, Ernst Jünger oder Robert von Ranke-Graves, auf die verschiedentlich als Kommentatoren des Geschehens wie als Verarbeiter des Kriegserlebnisses zurückgegriffen wird, ebenso wie auf Feldpostbriefe einfacher Soldaten. Dieser Rückgriff dient dabei auch dazu, den «Blick vom Feldherrnhügel» aus der Perspektive des einfachen Soldaten zu hinterfragen, der die von oben kommenden Befehle auszuführen und deren Folgen zu ertragen hatte. Viele der jüngeren deutschsprachigen Veröffentlichungen zum Krieg haben sich freilich ausschließlich auf die letztere Perspektive beschränkt, und infolgedessen ist der «Krieg des kleinen Mannes» zu einer einzigen und endlosen Geschichte des Erduldens und Leidens geworden, aus der heraus nicht erklärbar ist, warum er so lange gedauert hat und wieso auf Phasen der Erschöpfung immer neue Großoffensiven folgten. Nicht nur in den Stabsquartieren, sondern auch in den vordersten Gräben war der Krieg ein komplexes Zusammenspiel von Enthusiasmus und Niedergeschlagenheit, Siegeserwartung und Durchhaltewillen, aber auch Resignation und Kampfverweigerung. Dieses Ineinander und Gegeneinander lässt sich nur begreifen, wenn man die beiden Sichtweisen, die der «Schlachtenlenker» und die des «Menschenmaterials», zusammenführt. Die Rekonstruktion des Feldherrnblicks ist leicht, während die Sicht der einfachen Soldaten widersprüchlich, stimmungsabhängig und lokal begrenzt ist. Um sie zu erfassen, wurde neben diversen Briefsammlungen auch auf literarische Darstellungen zurückgegriffen. Dagegen lässt sich einwenden, deren Sichtweise sei nachträglich stilisiert worden; das gilt jedoch nicht nur für sie: Eine literatur- und sprachwissenschaftlich angeleitete Durchsicht der Feldpostbriefe hat gezeigt, dass auch sie als authentische Zeugnisse problematisch sind, weil das, was in ihnen erzählt wird, in hohem Maße durch sprachliche Stereotype geprägt ist. Den «Blick von unten» angemessen darzustellen, ist methodisch jedenfalls sehr viel schwieriger, als dies beim «Blick von oben» der Fall ist. Die Präferenz für literarische Zeugnisse begründet sich auch daraus, dass sie schon viele Male kritisch analysiert wurden und ihnen so der Authentizitätsgestus abhandengekommen ist.
    Die Geschichte des Krieges stellt einen fließenden und stetigen Lernprozess dar, der sich auf unterschiedlichen Ebenen vollzogen hat: Es gab ein taktisches Lernen, in dessen Verlauf sich die Organisation der Verteidigung und die Durchführung von Angriffen grundlegend veränderte. Es gab ein strategisches Lernen, das in der permanenten Suche nach den starken und schwachen Punkten des Gegners bestand und immer wieder auf die Frage zulief, an welchen

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