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Der große Ölkrieg

Der große Ölkrieg

Titel: Der große Ölkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Grund für die Wut des anderen klar zu erkennen. Der Griff an die Schulter des Mannes hatte bei diesem eine Reaktion ausgelöst, die nur zu verständlich war: Schmerz. Für Tycho gab es nunmehr keinen Zweifel, daß dieser Mann – ein Fischer vermutlich – an dem mißglückten Aufstand beteiligt gewesen war. Offenbar hatte er sich dabei die Schulter verletzt, mit der Tycho so grob umgesprungen war.
    „Entschuldige“, brachte Tycho hervor. Er konnte seinen Blick nicht von der Schulter des Fischers lösen. „Aber ich habe dich wiedererkannt. Du warst mit Rüdiger zusammen, nicht wahr?“
    Sofort verengten sich die Augen seines Gegenübers. Der Mann war etwa fünfzig. Wind und Wetter hatten seine Haut gegerbt und tiefe Kerben in seine Mundwinkel gegraben. Erneut spuckte er aus, diesmal genau vor Tychos Füße.
    „Irrtum, Meister“, erklärte er stoisch. „Ich kenne keinen Rüdiger. Hab nie einen Rüdiger gekannt. Und nun verschwinde, und zwar mit Dampf!“
    „Aber … ich muß Rüdiger sprechen“, beharrte Tycho verzweifelt. „Es ist unheimlich wichtig! Für uns alle! Verstehst du mich denn nicht? Ich bin ein Freund von Rüdiger.“
    Noch einmal änderte sich das Mienenspiel des Mannes im karierten Hemd. In seinen Augen blitzte ein kleiner Funke. Er musterte Tycho mit einem mißtrauischen Blick. Dann war der Funke verschwunden, ohne überzuspringen.
    „Halt jetzt die Fresse und laß mich in Frieden“, knurrte er und wandte sich ab. Mit staksigen Schritten ging er hinter den anderen Männern her, die vor dem Kantinentor auf ihn gewartet hatten. Der Mann schüttelte den Kopf, als seine Freunde auf ihn einredeten, dann betraten sie gemeinsam das Gebäude.
    Tycho rang mit sich selbst, um nicht die Beherrschung zu verlieren. So war es überall. Als würde er gegen eine Mauer rennen. Rüdiger war verschwunden und mit ihm viele andere. Die Revolte war mißlungen. Es hatte Tote gegeben. Aber Rüdiger konnte nicht tot sein; man brachte ihn nicht einmal mit den führenden Köpfen des Untergrunds von Helgoland in Zusammenhang. Und außerdem hatte man denen, die nicht in dieser schrecklichen Nacht gefaßt wurden, immer wieder triumphierend die Namen der Hingerichteten an den Kopf geworfen.
    Die Freiheitskämpfer waren vorsichtig geworden. Ließen niemanden an sich heran. Oder – hatten sie resigniert und aufgegeben?
    „Probleme, Brehm?“ fragte eine süffisante Stimme.
    Ohne sich umzudrehen, wußte Tycho: das war Fang.
    „Nein, nein“, gab er verwirrt zurück und ging benommen auf die Kantinenbaracken zu. Er überlegte, wie lange Fang wohl schon hinter ihm gestanden haben mochte. Hatte er etwas gehört? Hatte sich der Mann im karierten Hemd deswegen so unnahbar gegeben?
    „Das will ich auch hoffen“, grölte Fang ihm lauthals nach. „Probleme machen den Kopf dick. Und dicke Köpfe verliert man leicht.“ Er mußte das für einen gelungenen Witz halten, denn er lachte noch minutenlang hinter Tycho her.
    Tycho Brehm ließ den Kopf hängen. Wieder eine Chance weniger. Er starrte zur Insel hinüber und versuchte wider besseren Wissens die ‚Lange Anna’ mit Remmers Bungalow zu erspähen. Was natürlich völlig zwecklos war, denn der rote Sandstein der Insel verdeckte ihn. „Noch zwei Tage“, flüsterte er verhalten. „Dann hole ich das Mädchen.“
    Er dachte oft an Monica. Ihm wurde ganz übel, wenn er an ihren übergeschnappten Vater dachte. Sie muß durchhalten, wünschte er sich verzweifelt, sie muß! Aber konnte er es wirklich verantworten, mit ihr und den Kindern aus seiner Arbeitsgruppe zu fliehen?
    Es würde nur eine einzige Chance geben. Dann würde die Junta der Insel dafür sorgen, daß sich ein solcher Vorfall nicht wiederholen konnte. Wer es übermorgen nacht nicht schaffte, würde es niemals schaffen. Verdammt noch mal, deshalb mußte er die Freiheitskämpfer erreichen!
    Aber vielleicht war es auch schon zu spät. Was ihm vier Wochen hindurch nicht gelungen war, konnte unmöglich in zwei Tagen erledigt werden. Und selbst wenn er die Aufständischen morgen erreichte und informierte: Würde die Zeit noch ausreichen, um Vorbereitungen zu treffen? Und verschieben konnte man den Ausbruch auch nicht. In weiteren vier Wochen, bei der nächsten Möglichkeit, waren hier vielleicht schon viele nicht mehr am Leben. Doch was sollte er tun? Er hatte nur bei Schichtbeginn und Schichtende die Möglichkeit, mit den Leuten zusammenzutreffen, die in den anderen Baracken untergebracht waren. Und niemand wußte etwas

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