Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
Geschichten und geläufige Kunstsagen, auch Schwänke aus seinem frühern Leben und Züge von der Herrlichkeit der Maler. Sowie er aber bemerkte, daß einer zu eifrig aufhorchte und die Arbeit darüber vergaß, brach er ab und beobachtete eine geraume Zeit weise Zurückhaltung.
Ich genoß das Vorrecht, meine Vorlagen selbst hervorzuholen, und verweilte dabei immer längere Zeit, die vorhandenen Schätze durchzugehen.
Sie bestanden aus einer großen Menge zufällig zusammengeraffter Gegenstände, aus guten alten Kupferstichen, einzelnen Fetzen und Blättern ohne Bedeutung, wie sie die Zeit anhäuft, Zeichnungen von einer gewissen Routine, ohne Naturwahrheit, und einem unendlichen übrigen Mischmasch.
Was mich zunächst betraf, waren einige Hefte französischer Landschaftsstudien, mit Eleganz und Bravour auf Stein gezeichnet, welche mir für das eigentliche Studium in Aussicht gestellt waren. Handzeichnungen nach der Natur, Blätter, die um ihrer selbst willen da waren und denen man angesehen hätte, daß sie freie Luft und Sonne getrunken, fanden sich nicht ein einziges Stück vor, denn der Meister hatte seine Kunst und seinen Schlendrian innerhalb vier Wänden erworben und begab sich nur hinaus, um so schnell als möglich eine gangbare Ansicht zu entwerfen, wobei alle seine Bäume einen neutralen Typus erhielten und Erde, Weg und Steine mit den gleichen Tuschen und Charakteren gebildet wurden, daß sie alle aus dem nämlichen Stoffe zu bestehen schienen. Indessen zeigten diese Arbeiten alle ein fertiges Geschick in betreff der Klarheit und Sauberkeit der Tinten; dieselben waren nicht wahr und bestanden aus sogenannten Phantasiefarben, welche in der Natur nicht anzutreffen waren, wenigstens nicht an der Stelle, wo sie gerade angewendet erschienen; allein sie spielten glänzend und ansprechend ineinander für den unkundigen Beschauer. Diese gewandte, obschon falsche Technik war das eigentliche Wissen meines Meisters, und er legte alles Gewicht seines Unterrichtes auf diesen Punkt. Da er, während meiner Übungen mit Stift, Kreide und Feder, über den Zweck derselben, als da sind die Eigentümlichkeiten in den Ausladungen, den Silhouetten und Laubmassen der Bäume, sowie ihrer Charaktere, der Rinden und liste, nicht viel zu sagen wußte, so veranlaßte er mich bald, die lithographierten Pariser Blätter, welche große effektvolle Baumgruppen enthielten, in Tusche, Sepia und dergleichen zu kopieren. Da diese Sachen nicht sehr gründlich und gut gezeichnet, hingegen in Ton und Haltung äußerst klar und kräftig waren, wobei vieles der vollendeten Technik des Steindruckes zugeschrieben werden konnte, so boten sie meinem Vorgesetzten günstige Gelegenheit, seine Erfahrung und Strenge hinsichtlich durchsichtiger und reiner Töne und Halbtone an den Mann zu bringen.
Anfänglich hielt er mich eine Weile in respektierlicher Abhängigkeit, indem ich den Unterschied zwischen einem transparenten scharfen und einem rußigen stumpfen Vortrage nicht recht begriff und mehr auf Form und Charakter sah; doch endlich, durch das fortwährende Pinseln, geriet ich hinter das Geheimnis, und nun fertigte ich in einem fixen Jargon eine Menge brillanter Tuschzeichnungen an, ein Blatt ums andere. Schon sah ich nur auf die Zahl des Gemachten und hatte meine Freude an der anschwellenden Mappe, kaum daß bei meiner Wahl die wirkungsvollsten und auffallendsten Gegenstände mir noch eine weitere Teilnahme abgewannen. So war, noch ehe der erste Winter ganz zu Ende, schon meines Lehrers ganzer Vorrat an Vorlagen von mir durchgemacht, und zwar auf eine Weise, wie er es selbst ungefähr konnte; denn nachdem ich einmal die Handgriffe und Mittel einer sorgfältigen und reinlichen Behandlung gemerkt, erstieg ich bald den Grad geläufiger Pinselei, welchen der Meister selbst innehatte, um so schneller, als ich in dem wahren Wesen und Verständnis um so mehr und gänzlich zurückblieb. Habersaat war desnahen schon nach dem ersten halben Jahre in einiger Verlegenheit, was er mir vorlegen sollte, da er mich aus Sorge für sich selbst nicht schon in seine ganze Kunst einweihen mochte; denn er hatte nun nur noch seine gewandte Behandlung der Wasserfarben im Hinterhalte, welche, wie er sie verstand, ebenfalls keine Hexerei war. Weil Nachdenken und geistige Gewissenhaftigkeit im Refektorium nicht gekannt waren, so bestand alles Können in demselben aus einer bald erworbenen leeren Äußerlichkeit. Doch fand ich selbst einen Ausweg, als ich erklärte, eine
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