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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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gleichgültig, ob Sie an denselben glauben oder nicht! Denn ich halte Sie für einen so wohlbestellten Kauz, daß es nicht darauf ankommt, ob Sie das Grundvermögen Ihres Bewußtseins und Daseins außer sich oder in sich verlegen, und wenn dem nicht so wäre, wenn ich denken müßte, Sie wären ein anderer mit Gott und ein anderer ohne Gott, so würden Sie mir nicht so lieb sein, so würde ich nicht das Vertrauen zu Ihnen haben, das ich wirklich empfinde.
    Dies ist es auch, was diese Zeiten zu vollbringen und herbeizuführen haben nämlich vollkommene Sicherheit des menschlichen Rechtes und der menschlichen Ehre bei jedem Glauben und jeder Anschauung, und zwar nicht nur im Staatsgesetz, sondern auch im persönlichen vertraulichen Verhalten der Menschen zueinander. Es handelt sich heutzutage nicht mehr um Atheismus und Freigeisterei, um Frivolität, Zweifelsucht und Weltschmerz, und welche Spitznamen man alles erfunden hat für schwächliche und kränkliche Dinge! Es handelt sich um das Recht, ruhig zu bleiben im Gemüt, was auch die Ergebnisse des Nachdenkens und des Forschens sein mögen, und unangetastet und ungekränkt zu bleiben, was man auch mit wahrem und ehrlichem Sinne glauben mag. Übrigens geht der Mensch in die Schule alle Tage, und keiner vermag mit Sicherheit vorauszusagen, was er am Abend seines Lebens glauben werde! Dafür haben wir die unbedingte Freiheit des Gewissens nach allen Seiten!
    Aber dahin muß die Welt gelangen, daß sie mit eben der schuldlosen guten Ruhe, mit welcher sie ein neues Naturgesetz, einen neuen Stern am Himmel entdeckt, auch die Vorgänge und Ergebnisse in der geistigen Welt hinnimmt und betrachtet, auf alles gefaßt und stets sich gleich als eine Menschheit, die da in der Sonne steht und sagt Hier stehe ich!«
    Auf fast ganz weibliche Weise schlüpfte Heinrich in die Grundsätze derer hinein, die er liebte und die ihm wohlwollten, und dies war wohl weniger unmännliche Schwäche als der allgemeine Hergang in diesen Dingen, wo die besten Überzeugungen durch den Einfluß honetter und klarer Persönlichkeit vermittelt werden. War doch der Graf selbst, der gewiß ein Mann war, durch das Wesen eines kleinen unwissenden Mädchens zu seiner Abrechnung veranlaßt worden. Doch wollte Heinrich nicht hinter ihm zurückbleiben und studierte, wohl aufgelegt und von einer anhaltenden neigungsvollen Wärme durchdrungen, die Geschichte des theologischen und philosophischen Gedankenganges der neueren Zeit, wobei ihm jede Erscheinung, jedes Für und Wider, insofern sie nur ganzer und wesentlicher Natur waren, gleich lieb und wichtig wurden, und nur das Naseweise, Inquisitorische und Fanatische in jeder Richtung widerte ihn an.
    Die Kultur der Religionen vermag die Völker nur aus dem Gröbsten zu hobeln und zu verändern. Auf einer gewissen Stufe angekommen, hat jeder Mensch seinen bestimmten Wert, welcher nicht um ein Quentchen verliert oder gewinnt, ob er diesen Wert in oder außer sich sucht. Dies empfand Heinrich, wie der Graf ihm gesagt, mit leichtem Herzen und großem Behagen, und die sich so oft gestellte Frage, ob er an sich gut sei, glaubte er sich nun freundlich beantworten zu dürfen, da er nicht die mindeste Veränderung und Bewegung an sich empfand und sich von Grund aus weder um ein Haar besser noch schlimmer vorkam, seit er das halbe Wesen und das peinliche Polemisieren mit dem Gott in seiner Brust aufgegeben.
    So verging der Winter in mannigfacher, aber ruhiger Bewegung. Der Pfarrer, welcher mit humoristischem Zorne den grünen Fremdling seine Fahne verlassen sah, fand sich noch öfter im Herrenhause ein und suchte durch einen Sprühregen von Angriffen und Witzkompositionen den Flüchtling zu bedrängen und einzufangen. Vorzüglich ging er darauf aus, die Welt unter dem Gesichtspunkte seiner Zuhörer als heillos nüchtern, trivial und poesielos darzustellen, und um zu zeigen, wie ganz anders sie sich ausnehme im Lichte eines innigen Gottesglaubens, nahm er energische phantasievolle Mystiker zu Hilfe, in welchen er weniger als Christ denn als geistreicher Liebhaber sehr belesen war. Er brachte wiederholt dergleichen her und war sehr willkommen damit, da, wenn man sich einmal über solche Gegenstände unterhält, alles, was aus ganzem Holze geschnitten ist, gleich wichtig erscheint, belehrt und erbaut.
    So werden auch stets ein recht herzlicher glühender Mystiker und ein rabiater Atheist besser miteinander auskommen und größeres Interesse aneinander haben als etwa ein dürrer

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