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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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mit solch einer witzelnden, affektierten Dedikation versehen hätte? Glauben Sie überhaupt, daß es demselben möglich gewesen wäre, ein so kokettes Büchlein zu schreiben, wie dies eines ist? Er hatte Geist so gut als einer, aber wie streng hält er ihn in der Zucht, wo er es mit Gott zu tun hat! Lesen Sie seine Bekenntnisse, wie rührend und erbauend ist es, wenn man sieht, wie ängstlich er alle sinnliche und geistreiche Bilderpracht, alles Kokettieren, alle Selbsttäuschung oder Täuschung Gottes durch das sinnliche Wort flieht und meidet. Wie er vielmehr jedes seiner strikten und schlichten Worte unmittelbar an Gott selbst richtet und unter dessen Augen schreibt, damit ja kein ungehöriger Schmuck, keine Illusion, keine Art von Schöntun mit Unreinem hineinkomme in seine Geständnisse!
    Ohne mich zu solchen Propheten zählen zu wollen, fühle ich dennoch diesen ganzen und ernstgemeinten Gott, und erst jetzt, wo ich keinen mehr habe, bereue ich mit ziemlicher Scham die willkürliche und humoristische Manier meiner Jugend, in welcher ich in meiner vermeintlichen Religiosität die göttlichen Dinge zu behandeln pflegte, und ich könnte mich darüber nicht trösten und müßte mich selbst der Frivolität zeihen, wenn ich nicht annehmen müßte, daß jene verblümte und naiv spaßhafte Art eigentlich nur die Hülle der völligen Geistesfreiheit gewesen sei, die ich mir endlich erworben habe!«
    Dortchen hatte das Buch inzwischen auch in die Hand genommen und darin geblättert. »Wissen Sie, Herr Lee«, sagte sie und sah ihn freundlich an, »daß es mir sehr wohl gefällt, wie Sie ein so richtiges ernstes und ehrbares Gefühl haben auch für den Gott, den andere glauben? Dies ist sehr hübsch von Ihnen!
    Aber Himmel! welch ein schöner Vers ist dies hier:
    Blüh auf, gefrorner Christ! Der Mai ist vor der Tür: Du bleibest ewig tot, blühst du nicht jetzt und hier.«

    Sie sprang ans Klavier und spielte und sang aus dem Stegreif diese sehnsüchtig lockenden Worte, in geistlich choralartigen Maßen und Tonfällen, doch mit einem wie verliebt zitternden, durchaus weltlichen Ausdruck ihrer schönen Stimme.

Dreizehntes Kapitel
    Blüh auf, gefrorner Christ! Der Mai ist vor der Tür Du bleibest ewig tot, blühst du nicht jetzt und hier!

    So klang es die ganze Nacht in Heinrichs Ohren, der kein Auge schloß. Ein lauer Südwind wehte über das Land, der Schnee schmolz an seinem Hauche und tropfte unablässig von allen Bäumen im Garten und von den Dächern, so daß das melodische Fallen der unzähligen Tropfen eine Frühlingsmusik machte zu dem, was in dem Wachenden vorging. Noch gestern hatte er geglaubt, mit seiner jetzigen verschwiegenen Verliebtheit hoch über allem zu stehen, was er je über Liebe gedacht und empfunden, und nun mußte er erfahren, daß er gestern noch keine Ahnung hatte von der Veränderung, die in dieser Nacht mit ihm vorging, und diese kurze Frühlingsnacht enthielt gleich einem kräftigen Prolog schon alles, was er während vieler Wochen nun erleben und erleiden sollte. Das Gattungsmäßige im Menschen erwachte in ihm mit aller Gewalt und Pracht seines Wesens, das Gefühl der Schönheit und Vergänglichkeit des Lebens warf darein eine beklemmende Angst, daß die, welche alles dies anrichtete und welche ihm so ganz notwendig schien, um ferner zu leben, ihm ja gewiß nicht werden würde. Denn er ehrte sie, indem er jetzt eine ganze Leidenschaft zu empfinden begann, sogleich so, daß er es nun entschieden und entschlossen verschmähte, sie in seinen Gedanken mit seiner Person zu behelligen, indem er, der Welt gegenüber sich keck und eroberungslustig fühlend, vor Dortchen eine gänzliche Demut und Furcht empfand. Doch wechselte die Furcht wohl zwanzigmal mit der Hoffnung, wenn er manche freundliche Blicke, angenehme Worte und zuletzt die Stimme bedachte, mit welcher sie obigen Frühlingsvers gesungen; doch endete auch dieser Wechsel mit gänzlicher Hoffnungslosigkeit, da er schon in dem Stadium war, wo man einer Schönen, die man liebt, auch die leeren böswilligen Freundlichkeiten und Koketterien verzeiht und sogar mit Dank hinnimmt, ohne eine Hoffnung darauf zu bauen. Dieses war nicht eine sentimentale Schwäche und Mädchenhaftigkeit, sondern es rührte gerade von der Kraft und Tiefe der entfachten Leidenschaft her und von dem ehrlichen Ernste, mit welchem er sie empfand. Denn wo es sich um alles handelt, um ein großes Glück oder Unglück, wird ein wohleingerichteter Mann mitten in der

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