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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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reichlichen Tisch des Grafen, führte ihn häufig in das Haus, und da er zugleich eine ehrliche Haut und ein redlicher Helfer bei allen guten Unternehmungen der Herrschaft war, so wurde er zum Bedürfnis und zur bleibenden Heiterkeit des Hauses. Besonders Dorothea wußte ihn mit der leichtesten Anmut in den Irrgärten seines fanatischen Humors umherzuführen, neckend vor ihm hinzuhuschen und durch die verworrenen Buschwerke seines krausen Witzes zu schlüpfen.
    Unergründlich war es dabei, ob mehr ihr heiteres Wohlwollen oder ein bedenklicher Mutwillen im Spiele lag; denn ebensooft, als sie dem Pfarrer Gelegenheit gab zu glänzen, verlockte sie seine Eitelkeit auf das Eis, wo sein Witz das Bein brach.
    Heinrich ward hierüber etwas verdutzt und verwirrt und wußte sich nicht recht in diesen Ton zu finden, auch wußte er anfangs nicht, worum es sich handelte, bis eines Mittags, als Dorothea in ebenso zarter als fröhlicher Weise den Pfarrer verführte, ihr allerlei seltsame und abenteuerliche Beweise für die Unsterblichkeit aufzuzählen, der Graf sagte »Sie müssen nämlich wissen, lieber Heinrich, daß Dortchen ganz auf eigene Faust nicht an die Unsterblichkeit glaubt, und zwar nicht etwa infolge angelernter und gelesener Dinge oder durch meinen Einfluß, sondern auf ganz originelle Weise, sozusagen von Kindesbeinen an!«
    Dorothea schämte sich wie ein Backfischchen, dessen Herzensgeheimnis man verraten hat, und drückte das rotgewordene Gesicht auf das Tischtuch, daß die schwarzen Locken sich auf der weißen Fläche ausbreiteten.
    Dieser Vorgang machte auf Heinrich einen Eindruck, der aus Verwunderung und Überraschung gemischt war und jenen angenehmen Schrecken herbeiführte, welcher uns befällt, wenn wir entdecken, daß eine geliebte Person Eigentümlichkeiten und Nücken im Gemüte führt, von denen wir uns bei aller Bewunderung nichts träumen ließen. Er vermochte aber gar nichts dazu zu sagen, und erst als er nach Tisch mit dem Grafen durch die Gegend strich, befragte er ihn um das Nähere.
    »Es ist in der Tat so«, erwiderte derselbe; »seit sie ihr Urteil nur ein bißchen rühren konnte und diese Dinge nennen hörte, wir wissen die Zeit kaum anzugeben, sagte sie mit aller Unbefangenheit, aus dem kindlichsten und reinsten Herzen heraus, daß sie gar nicht absehen und glauben könne, wie die Menschen unsterblich sein sollten. Es kommt allerdings oft vor, daß rechtliche Leute aus allen Ständen dies ursprüngliche schlichte Vergänglichkeitsgefühl ohne weiteres aus der Natur schöpfen und, ohne skeptischer oder kritischer Art zu sein, dasselbe unbekümmert bewahren wie eine allereinfachste handgreifliche Wahrheit. Aber so lieblich und natürlich ist mir diese Erscheinung noch nie vorgekommen wie bei diesem Kinde, und ihre unschuldige gemütliche Überzeugung, die so ganz in sich selbst entstand, veranlaßte mich, der ich Gott und Unsterblichkeit hatte liegenlassen, wie sie lagen, meinen philosophischen Bildungsgang noch einmal vorzunehmen und zu revidieren, und als ich auf dem Wege des Denkens und der Bücher wieder da anlangte, wo das Kindsköpfchen von Hause aus gewesen, und Dortchen mir über die Schulter mit in die Bücher guckte, da war es erst merkwürdig, wie sich das bestärkte und bestätigte Gefühl in ihr gestaltete. Wer sagt, daß es keine Poesie gebe ohne den Glauben an die Unsterblichkeit, der hätte sie sehen müssen; denn nicht nur das Leben und die Welt um sie herum, sondern sie selbst wurde durch und durch poetisch. Das Licht der Sonne schien ihr tausendmal schöner als anderen Menschen, was da lebt und webt, war und ist ihr teuer und lieb, das Leben wurde ihr heilig, und der Tod wurde ihr heilig, welchen sie sehr ernsthaft nimmt. Sie gewöhnte sich, zu jeder Stunde ohne Schrecken an den Tod zu denken, mitten in dem heitersten Sonnenschein des Glückes, und daß wir alle einst ohne Spaß und für immer davon scheiden müssen. Dieser wirkliche Tod lehrt sie das Leben werthalten und gut verwenden und dies wiederum den Tod nicht fürchten, während das ganze vorübergehende Dasein unserer Person, unser aufblitzendes und verschwindendes Tanzen im Weltlichte diesem ganzen Wesen einen leichten, zarten, halb fröhlichen, halb elegischen Anhauch gibt, das drückende, beengende Gewicht vom einzelnen nimmt und seinen schwerfälligen Ansprüchen, indes das Ganze doch besteht. Und welche Pietät und Mitleid hegt sie für die Sterbenden und Toten! Ihnen, welche ihren Lohn dahin haben und abziehen

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