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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Leidenschaft dennoch Rücksicht für zehn nehmen, und gerade weil es ihm bitterer Ernst ist, glücklich zu sein und glücklich zu machen, so setzt er sein Heil auf die Karte der Hoffnungslosigkeit, weil Liebe, wenn sie durch Hoffnungslosigkeit ihr Spiel verliert, nichts verloren hat als sich selbst.
    Am Morgen war er stiller als gewöhnlich und ließ sich nichts ansehen; doch war es nun mit seiner Ruhe vorbei, und mit der Arbeit jeglicher Art ebenfalls, denn sowie er etwas in die Hand nehmen wollte, verirrten sich seine Augen ins Weite, und alle seine Gedanken flohen dem Bilde der Geliebten nach, welches, ohne einen einzigen Augenblick zu verschwinden, überall um ihn her schwebte, während dasselbe Bild zu gleicher Zeit wie aus Eisen gegossen schwer in seinem Herzen lag, schön, aber unerbittlich schwer. Von diesem Drucke war er nur frei, und zwar gänzlich, wenn Dortchen zugegen war; alsdann war es ihm wohl, und er verlangte nichts weiter und sprach auch wenig mit ihr. Damit war ihr jedoch, als einem Weibe, nicht gedient. Sie fing an, allerlei kleine Teufeleien zu verüben, an sich ganz unschuldige Kindereien in Bewegungen oder Worten, welche einem vermehrten guten Humor zu entspringen schienen, aber ebensowohl täglich heller eine urgründliche Anmut und Beweglichkeit des Gemütes verrieten als auch mit einer federleichten Wendung zeigten, daß sie tausend unergründliche Nücken unter den Locken sitzen hatte. Wenn nun erst die offene und klare Herzensgüte, das, was man so die Holdseligkeit am Weibe nennt, einen Mann gewinnt und gänzlich in Beschlag nimmt, so bringen ihn nachher, wenn er in seiner Einfalt entdeckt, daß die Geliebte nicht nur schön, gut und huldvoll, sondern auch gescheit und nicht auf den Kopf gefallen sei, diese fröhliche Bosheit des Herzens, diese kindliche Tücke vollends um den Verstand und um alle Seelenruhe, da es nun total entschieden scheint, ohne diese sei das Leben fürhin leer und tot. So ging auch Heinrich abermals ein neues Licht auf, und es befiel ihn ein heftiger Schrecken, nun ganz gewiß nie wieder ruhig zu werden, da er gerade dies kurzweilige Frauenleben nicht sein nennen könne. Denn wenn die Liebe nicht nur schön und tief, sondern auch recht eigentlich kurzweilig ist, so erneut sie sich selbst durch tausend kleine Züge und Lustbarkeiten in jedem Augenblick das bißchen Leben hindurch und verdoppelt den Wert desselben, und nichts macht trauriger, als ein solches Leben möglich zu sehen, ohne es zu gewinnen, ja die allertraurigsten Leute sind die, welche das Zeug dazu haben, recht lustig zu sein, und dennoch traurig sein müssen aus Mangel an guter Gesellschaft.
    Wie nun Heinrich an diesen Spielereien und Neckereien aller Art sich sonnte, die oft in nichts anderm bestanden, als daß Dortchen eine Münze oder Glas zum Tanzen brachte und gegen ihn hin dirigierte, worauf er dem Gegenstand einen Nasenstüber gab, daß er wieder zurückflog, mußte er sich tausendmal in acht nehmen, sie nicht drum anzusehen, wenn das Geldstück umgepurzelt war, und über dem kindisch leichten Tun sein schweres Geheimnis zu verraten. Desnahen hielt er sich gewaltsam zurück; aber das tat ihm so weh, daß er aus Verzweiflung unartig und launisch wurde und sich die schönsten Stunden unwiederbringlich verdarb.
    Nun glaubte er sich zu heilen, wenn er sich Dortchens Gegenwart entzöge, und fing an, das es erklärter Frühling war, frühmorgens wegzugehen, sich den ganzen Tag im Lande umherzutreiben und erst in der Nacht zurückzukehren, wenn schon alles schlief. Nachdem er dies einige Tage zu seiner großen Qual getan, trieb es ihn, Dorotheen wiederzusehen, und er fand sich bei Tisch ein; aber er war nun ganz verschüchtert, und weil, wie man in den Wald ruft, es widertönt, so fing Dortchen auch an, sich zurückzuhalten, und schien sich nicht viel mehr daraus zu machen, mit Heinrich zu verkehren. Stracks verzog er sich wieder in die Wälder und blieb drei Tage dort, während welcher er nur in der Nacht zurückkehrte. Das Holz fing sachte an zu knospen, und der braune Boden bedeckte sich schon vielfältig mit Blumen. Heinrich verkroch sich an einem wilden steinigen Abhange, der den ganzen Tag an der Sonne lag, unter ein hohes Gebüsch, durch welches eine klare Quelle rieselte. Dort hockte er im verborgenen, stierte über die duftigen Gehölze und Felder weg nach dem glänzenden Dache des Landhauses in weiter Ferne und grübelte unaufhörlich über sein Unheil. Er fing an, sich zu vergessen und sich

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