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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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wo dergleichen erst bei größeren Militärstaaten in der Einführung begriffen waren. So hörten wir denn, während unsere Freunde uns wohlgefällig erklärten, wie bei ihnen während der Ladung die Bewegung von »Pulver auf Pfann'« nun wegfiele, unsere erwachsenen Begleiter heimlich einen bedächtigen Tadel über solchen Aufwand aussprechen. Doch waren wir endlich ermüdet und gaben uns willig den Einladungen der Familien hin, welche sich so eifrig um unsere Beherbergung stritten, daß unsere ganze Schar in ihren offenen Armen so schnell verschwand wie ein flüchtiger Regenschauer im heißen durstigen Erdreiche. Wir sahen uns nun vereinzelt in die Mitte häuslicher Wirtlichkeit versetzt als Gegenstand festlichen Wohlwollens und belohnten diese Gastfreundschaft dadurch; daß wir, als ob wir in Feindesland wären, beim Schlafengehen unsere Flintchen mitnahmen und neben die großen Gastbetten stellten, welche zu ersteigen wir alle unsere Turnerkünste aufbieten mußten.
    Das Fest des andern Tages erfüllte alle Erwartungen. Der Wetteifer ließ beide Parteien bei den Übungen gleich wohl bestehen; gegen die Perkussionsgewehre unserer Nebenbuhler aber hatten wir einen andern Trumpf auszuspielen. Indem ihre Artillerie nämlich nur blind zu schießen gewohnt war und keine Kugeln kannte, schoß die unserige so geschickt nach dem Ziele, daß das bei solcher Gelegenheit stehende Sprichwort: »Die Kleinen machten es wahrlich besser denn die Großen!« diesmal nicht ganz unrichtig war und die Nachbaren dem ernsthaften Richten der Geschütze verwundert zuschauten.
    Ein großes Festmahl, welches einige tausend junge und alte Menschen vereinigte, wurde auf einer grünen Wiese eingenommen. Beliebte Jugendfreunde hielten Tischreden und trafen in denselben das Rechte, indem sie, anstatt uns in hohlem, frühreifem Ernste zu halten, in reinem Humor den Ton unschuldiger Fröhlichkeit anstimmten, ihr Alter vergaßen, ohne kindisch zu tun, und uns dadurch desto leichter lehrten, die Freude nicht ohne Witz zu genießen. Darauf zog eine Reihe feiner Mädchen aus dem Tore an uns vorbei auf einen geebneten Rasenplatz und lud uns mit Gesang zu Spiel und Tänzen ein. Sie waren alle weiß und rot gekleidet und entfalteten sich in der lieblichsten Blüte vom kindlichen Lockenkopfe bis zur angehenden Jungfrau; hinter dem weiten Kranze ragte manch weibliches Haupt in reifer Schönheit, um die zarten Pflänzlinge zu überwachen und bei guter Gelegenheit selbst noch ein bißchen jugendlicher über den Rasen zu schlüpfen, als in sonstigen Tagen erlaubt war. Hatten doch die Männer ihrerseits die Gelegenheit auch ersehen und die Lust der Kinder bereits zu ihrer eigenen Sache erklärt und schon mit mancher Flasche besiegelt! Unsere tapfere Schar näherte sich in dichtem Haufen dem flüsternden Kreise der Schönen, keiner wollte recht der vorderste sein; unsere Sprödigkeit ließ uns fast feindlich und düster aussehen, während das Anziehen der weißen Handschuhe ein weitgehendes Flimmern und Schimmern verursachte. Doch es zeigte sich nun, daß die Hälfte der Handschuhe überflüssig war, indem wir in zwei verschiedene Teile zerfielen, in solche Knaben nämlich, welche größere Schwestern zu Hause hatten, und in solche, welche dieses angenehme Glück nicht kannten. Die ersteren zeigten sich alle als zierliche Tänzer, welche bald gesucht und ausgezeichnet wurden, indessen die letzteren wie ungeleckte Bären über den Rasen stolperten und nach einigen mißlungenen Abenteuern sich aus den Reihen stahlen und bei den Trinktischen zusammenfanden, wo wir mit energischem Gesang ein wildes Soldatenleben führten, als rauhe Krieger und Weiberfeinde, und uns gegenseitig einzubilden suchten, daß die Mädchen doch häufig nach unserm tüchtigen Treiben herüberschielten. Unser Zechen bestand zwar mehr in einer bescheidenen Nachahmung der Alten und überwand den natürlichen Widerwillen gegen Unmäßigkeit nicht, der noch in jenem Lebensalter liegt; doch bot es hinlänglichen Spielraum für unsere kleinen Leidenschaften. Der Weinbau dieser Landschaft war bedeutender und edler als bei uns; daher hatten unsere jungen Nachbaren schon eine entschiedenere Färbung in ihrer Fröhlichkeit und vertrugen ein stärkeres Glas Wein als wir, so daß sie ihren Ruf vollkommen rechtfertigten. Da galt es nun, sich hervorzutun; ich gab mich diesem Bestreben ohne Rückhalt hin, meine wohlversehene Kasse verlieh mir die nötige Sicherheit und Freiheit, und dieser folgte alsobald

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