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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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kann:
Regierungs-Architekt. Das verschafft mir sehr viel Beschäftigung
von Seiten der höheren Klassen.
    Dabei schaute er auf das Bild der heiligen Jungfrau mit dem
flammenden Herzen und fügte hinzu: Ich
kümmere mich übrigens nicht viel um ihren Hokuspokus …
    Octave lachte, und der Architekt empfand eine gewisse Reue über
seine letzten Worte. Warum vertraute er sich diesem jungen Mann an?
Er blickte ihn forschend an, suchte sich zu fassen und kam auf die
Sache zurück.
    Das heißt: ich kümmere mich und kümmere mich wieder nicht …
Mein Gott, ich kann schon, wenn ich will … Sie werden sehen,
mein Freund, wenn Sie etwas älter werden, werden Sie auch so tun
wie alle Welt.
    Er sprach von seinen 42 Jahren, von der Leere seiner früheren
Existenz und tat überhaupt sehr trübselig, was mit seiner blühenden
Gesundheit ganz und gar nicht übereinstimmte. An seinem
Künstlerkopfe, den er sich allmählich zugestutzt hatte, mit den
flatternden Haaren und dem Barte nach Heinrich IV. sah man deutlich
den platten Schädel und die vierschrötige Kinnlade des Spießbürgers
mit dem beschränkten Verstande und den gefräßigen Begierden. In
seiner Jugend war er von einer tollen Ausgelassenheit gewesen.
    Die Augen Octaves blieben an einem Exemplar der »Gazette de
France« haften, das unter den Bauplänen auf dem Tische lag.
Campardon, immer mehr geniert, läutete der Kammerzofe, um zu
fragen, ob Madame schon fertig sei. Die Antwort lautete, Madame
werde sogleich erscheinen, der Doktor sei schon weggegangen.
    Ist Frau Campardon vielleicht leidend? fragte Octave.
    Nein, sie befindet sich wie sonst, sagte der Architekt im Tone
der Langweile.
    Ah, was fehlt ihr denn?
    Campardon geriet wieder in Verlegenheit und antwortete nicht
direkt.
    Sie wissen ja, den Frauen fehlt immer etwas … So
ist sie seit dreizehn Jahren, seitdem meine
Tochter geboren wurde. Übrigens befindet sie sich vortrefflich. Sie
werden sogar finden, daß sie fett wird.
    Octave drang nicht weiter in ihn. Eben kam Lisa wieder ins
Zimmer und brachte eine Karte. Der Architekt entschuldigte sich,
eilte in den Salon und bat den jungen Mann, inzwischen mit seiner
Frau zu plaudern. Octave erblickte durch die rasch geöffnete und
wieder geschlossene Tür des Salons den dunklen Schatten eines
Talars.
    Im nämlichen Augenblicke trat Madame Campardon durch das
Vorzimmer ein. Er erkannte sie nicht wieder. Als er sie – noch als
blutjunger Mensch – in Plassans bei ihrem Vater, Herrn Domergue,
gesehen hatte – der bei der Brücken- und Straßenbauverwaltung
angestellt war – da war sie mager und häßlich, und obwohl schon 20
Jahre alt, so gebrechlich wie ein Backfisch, der noch unter den
Nachwirkungen der Mannbarkeitskrise steht. Jetzt fand er sie fett
wieder mit der hellen, ruhigen Farbe einer Nonne, mit einem
zärtlichen Ausdruck in den Augen, Grübchen in den Wangen und der
Miene einer lüsternen Katze. Sie war nicht hübsch geworden, aber
sie war um die dreißig Jahre gereift, hatte eine gewisse sanfte
Fülle, die wohltuende Frische einer Herbstfrucht gewonnen. Es fiel
ihm bloß auf, daß sie einen etwas schweren, watschelnden Gang
hatte; sie trug einen langen Schlafrock von resedafarbener Seide,
der ihr einen gewissen Ausdruck lässigen Schmachtens verlieh.
    Ei, Sie sind ja ein Mann geworden! rief sie fröhlich aus, indem
sie dem jungen Mann beide Hände reichte. Seit unserer letzten Reise
sind Sie ordentlich in die Höhe geschossen!
    Dabei betrachtete sie den großen, braunen, hübschen Jüngling mit
dem sorgfältig gepflegten Schnurr- und Kinnbart. Als er sein Alter
nannte – 22 Jahre – stieß sie einen Ruf der
Überraschung aus. Sie hätte ihm mindestens 25 Jahre zugeschrieben.
Er, den die bloße Anwesenheit einer Frau – und wäre es die letzte
der Mägde – in Entzücken versetzte, lachte kindlich hell auf und
ließ die zärtlichen Blicke seiner mattgelben, samtweichen Augen auf
ihr ruhen.
    Ach ja, sagte er; ich bin gewachsen. Erinnern Sie sich noch, wie
Ihre Base Gasparine mir Marmorkügelchen zum Spielen abkaufte?
    Dann erzählte er ihr Neuigkeiten von ihren Eltern. Herr und Frau
Domergue lebten sehr zufrieden in dem Häuschen, wohin sie sich
zurückgezogen hatten; sie beklagten sich bloß über ihre Einsamkeit
und grollten noch jetzt Herrn Campardon ein wenig, weil er ihnen
einst während eines kurzen geschäftlichen Aufenthaltes in Plassans
ihr Röschen genommen … Dann suchte der junge Mann das Gespräch
wieder auf die Base Gasparine

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