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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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gestorben ist, so daß das Geschäft
jetzt von den Jungen geleitet wird; der alte Deleuze und noch ein
anderer Teilhaber halten sich völlig fern … Sie werden Frau
Hédouin sehen. Das ist eine ganze Frau … Treten wir ein!
    Herr Hédouin befand sich Leinwandkäufe halber in Lille. Die
beiden Herren wurden von Frau Hédouin empfangen. Sie stand mitten
im Laden mit einer Feder hinter dem Ohr und erteilte zwei
Ladenburschen, die mit dem Ordnen von Stoffen in Fächern beschäftigt waren, ihre Befehle.
Octave fand sie so groß, so wunderbar schön mit ihrem regelmäßigen
Gesicht, ihrem gescheitelten Haar, so ernst lächelnd in ihrem
schwarzen Kleide, auf das ein glatter Kragen mit einer kleinen
Herrenkrawatte herabfiel, daß er – sonst keineswegs schüchtern –
bei der Vorstellung verlegen stammelte.
    Sie sind frei, sagte sie mit ihrer ruhigen Miene und der
gewohnten Anmut einer Handelsfrau, – benutzen Sie also die Zeit bis
zum Essen dazu, sich mit unserem Geschäfte ein wenig bekannt zu
machen.
    Sie rief einen Angestellten herbei, damit er Octave als Führer
diene; nachdem sie auf eine Frage des Herrn Campardon höflich
erwidert hatte, daß Fräulein Gasparine Geschäftswege zu machen
habe, wandte sie sich um und fuhr fort, in ihrer kurzen,
freundlichen Weise Befehle zu erteilen.
    Nicht dorthin, Alexander … Legen Sie die Seidenstoffe
hinauf! … Das ist nicht die gleiche Sorte … Geben Sie
acht! …
    Campardon verabschiedete sich von Octave mit dem Versprechen,
ihn zum Essen abzuholen. Der junge Mann hatte zwei Stunden Zeit,
das Warenlager zu besichtigen. Er fand die Räume schlecht
beleuchtet, klein, überfüllt mit Waren, die den Verkehr hinderten.
Er begegnete wiederholt Frau Hédouin, die geschäftig und
geräuschlos durch die engen Gänge huschte, ohne mit ihrem Kleide
irgendwo hängen zu bleiben. Sie war offenbar die Seele dieses
großen Geschäftes, dessen Personal dem leisesten Winke ihrer
feinen, weißen Hände gehorchte. Octave war verletzt darüber, daß
sie ihn nicht weiter beachtete. Als er gegen sieben Uhr aus den
unteren Räumen heraufkam, sagte man ihm, daß Herr Campardon im
ersten Stock bei Fräulein Gasparine sei. Im ersten Stock war eine
Wäscheniederlage eingerichtet, die unter
der Leitung des Fräulein Gasparine stand. Auf der Höhe der
Wendeltreppe blieb er, noch durch einen Stoß von gleichmäßig
aufgestapelten Kalikostücken verborgen, plötzlich stehen, – er
hörte, wie Campardon Fräulein Gasparine duzte.
    Ich schwöre dir: nein! rief er, sich vergessend, fast laut.
    Es entstand jetzt ein Stillschweigen.
    Wie befindet sie sich? fragte Gasparine.
    Mein Gott, immer gleichmäßig. Es kommt und vergeht wieder …
Sie fühlt wohl, daß alles vorüber ist. Das wird nie wieder gut
werden.
    Gasparine sagte im Tone des Mitleides:
    Mein armer Freund, du bist zu beklagen. Da du übrigens in
anderer Weise die Sache beizulegen wußtest… Sage ihr, wie sehr ich
über ihren leidenden Zustand bekümmert bin …
    Campardon ließ sie nicht ausreden; er faßte sie bei der Schulter
und küßte sie leidenschaftlich auf die Lippen. Sie erwiderte seinen
Kuß und murmelte:
    Morgen früh um sechs Uhr, wenn du kannst … Ich werde zu
Bett bleiben. Poche dreimal an.
    Octave, zuerst höchlich befremdet, begriff jetzt. Er hustete und
trat vor. Da bot sich ihm eine weitere Überraschung. Aus der
Cousine Gasparine war eine dürre, magere, knochige Person mit
vorspringenden Kinnladen und steifem Haar geworden; von ihrer
früheren Schönheit hatte sie nichts behalten als ihre prächtigen
Augen, die jetzt in einem erdfahl gewordenen Antlitze saßen. Mit
ihrer Stirne, auf der die Eifersucht zu lesen war, mit dem
leidenschaftlichen und gebieterischen Ausdruck ihres Mundes brachte
sie den jungen Mann in Verwirrung, während Rosa mit ihrer etwas
späten Entwicklung einer kühlen Blonden ihn entzückt hatte.
    Gasparine benahm sich höflich, aber ohne
besondere Wärme. Sie erwähnte Plassans und sprach mit dem jungen
Mann über die Tage von ehemals. – Als die Herren sich entfernten,
reichte sie beiden die Hand.
    Unten sagte Frau Hédouin zu Octave in gleichgültigem Tone:
    Also morgen, mein Herr; es ist nicht nötig, daß Sie heute
wiederkommen.
    Als sie die Straße betraten, wo das Gerassel der Wagen ihre
Stimmen übertönte und sie im Gewühl der Menge hin und her gestoßen
wurden, konnte Octave nicht umhin zu bemerken, daß Frau Hédouin
eine sehr schöne Frau, aber wenig liebenswürdig sei. Die

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