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Der häusliche Herd

Der häusliche Herd

Titel: Der häusliche Herd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Blond; sie stieß einen leisen Schrei der Überraschung
aus, als sie den fremden, jungen Mann sah.
    Tritt nur ein, fürchte dich nicht, sagte Frau Campardon. Es ist
Herr Octave Mouret, von dem du uns sprechen hörtest.
    Dann sagte sie zu dem jungen Manne:
    Meine Tochter Angela … Wir haben sie auf unserer letzten
Reise nicht mitgenommen, sie war zu schwach! Doch jetzt füllt sie
sich ein wenig.
    Angela hatte sich mit der linkisch verlegenen Manier der Mädchen
dieses »undankbaren Alters« hinter den Sessel ihrer Mutter
geflüchtet, von wo sie kein Auge von dem heiteren, jungen Manne
ließ. Bald kam auch Herr Campardon, sichtlich in guter Stimmung. Er
konnte nicht an sich halten und erzählte seiner Frau in kurzen
Sätzen das angenehme Vorkommnis. Der Vikar zu Sankt-Rochus, Abbé
Manduit, sei hier gewesen und habe einen Auftrag gebracht. Es
handle sich vorläufig nur um Wiederherstellungsarbeiten, aber die
Sache könne noch weit führen. Dann schien er etwas verdrossen
darüber, daß er vor Octave geplaudert hatte; er schlug in die Hände
und rief:
    Was fangen wir jetzt an?
    Sie wollten ja ausgehen, sagte Octave. Ich will Sie nicht
hindern.
    Achilles, fiel Frau Campardon ein, was ist's mit der Stelle bei
Hédouin? …
    Richtig! rief der Architekt aus. Mein Lieber, ich habe für Sie
die Stelle eines ersten Angestellten in einem Modewarenhause. Ich
kenne dort jemanden, der für Sie gesprochen hat … Man erwartet
Sie. Es ist noch nicht vier Uhr. Soll ich Sie sogleich
vorstellen?
    Octave zögerte; in seiner Ängstlichkeit hinsichtlich der
Toilette war er nicht ganz sicher, ob er sich in diesem Augenblicke zeigen könne. Er entschloß sich indes zu
gehen, als Frau Campardon ihm versicherte, daß er durchaus
»tadellos« sei. Sie bot ihrem Gatten nachlässig die Stirn, die
dieser mit vieler Zärtlichkeit küßte.
    Auf Wiedersehen, mein Kätzchen … auf Wiedersehen, mein
Mädel …
    Wir speisen um sieben Uhr, fügte sie hinzu, die Herren bis in
den Salon begleitend, wo diese ihre Hüte nahmen.
    Angela folgte mechanisch. Allein ihr Klavierlehrer erwartete
sie, und bald darauf trommelte sie schon mit ihren dürren Fingern
auf dem Instrument. Octave, der im Vorzimmer stehen blieb, um noch
einmal zu danken, vermochte sich bei der Musik kaum verständlich zu
machen. Auf der Treppe, die er jetzt hinabstieg, schien das Klavier
ihn zu verfolgen; in der lauen Stille des Treppenhauses bei Frau
Juzeur, bei der Familie Vabre, bei Duverdy antworteten andere
Pianos; in jedem Stockwerke wurden andere Melodien gespielt, die
fern und gedämpft hinter den geschlossenen Türen hervortönten.
    Unten wandte sich Campardon in die Neue Augustinstraße. Er
schwieg mit der sinnenden Miene eines Menschen, der einen Übergang
sucht.
    Erinnern Sie sich noch an Fräulein Gasparine? fragte er endlich.
Sie ist erste Ladenmamsell im Hause Hédouin … Sie werden sie
sogleich sehen.
    Octave hielt den Augenblick für geeignet, um seine Neugierde zu
befriedigen.
    Ah, sagte er; wohnt sie bei Ihnen?
    Nein, nein! rief der Architekt lebhaft und fast beleidigt
aus.
    Als er merkte, daß der junge Mann von dieser Heftigkeit
überrascht schien, fuhr er etwas verlegen in ruhigerem Tone
fort:
    Nein, sie und meine Frau sehen einander nicht
mehr… Sie wissen, in den Familien kommt dergleichen vor… Ich bin
ihr begegnet und konnte nicht umhin, die dargereichte Hand zu
nehmen, – nicht wahr? um so weniger, als es ihr keineswegs brillant
geht, dem armen Mädchen. So kommt es, daß die beiden Frauen jetzt
nur durch mich Nachricht voneinander erhalten … Bei so alten
Zwistigkeiten muß man es der Zeit überlassen, die Wunden zu
heilen.
    Octave entschloß sich, ihn rundheraus über seine Heirat zu
befragen, doch der Architekt schnitt das Gespräch kurz ab und
sagte:
    Da sind wir!
    Man befand sich an der Ecke der Neuen Augustin- und
Michodière-Straße vor einer Modewarenhandlung, deren Türe sich auf
das schmale Dreieck des Gaillonplatzes öffnete. Eine im
Zwischengeschoß angebrachte Firmatafel, die zwei Fenster verdeckte,
trug in verblaßten Goldbuchstaben die Inschrift: » 
Zum
Paradies der Damen

gegründet im
Jahre
 1822.« Auf den Spiegelscheiben der Auslagen war in
roten Buchstaben folgende Firma zu lesen: Deleuze, Hédouin &
Co.
    Das Geschäft hat kein modernes Äußere, ist aber sehr ehrenhaft
und solid, erläuterte Campardon in aller Eile. Herr Hédouin,
vormals Angestellter, hat die Tochter des älteren Deleuze
geheiratet, der vor zwei Jahren

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