Die ewige Bibliothek
EINLEITUNG
»Und unter welchem Pseudonym schreiben Sie?«
Diese Frage stellte mir vor rund zehn Jahren ein populärer deutscher Heftroman-Autor, als ich ihm während eines Verlagsbesuchs vorgestellt wurde. Nun mag Meyer nicht der verheißungsvollste aller Namen sein, und mir wäre vermutlich einer eingefallen, der poetischer klingt, aber ich hatte durchaus vor, mein erstes Buch unter meinem wahren Namen zu veröffentlichen. Das sagte ich ihm, und erntete dafür einen verständnislosen Blick und ein Kopfschütteln.
Freilich muss der Fairness halber festgehalten werden, dass besagter Autor seine Karriere zu einer Zeit begonnen hat, als sich andere Mitglieder der Unterhaltungsbranche Namen wie »Roy Black« gegeben haben.
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Ich erwähne das, weil es vor noch gar nicht langer Zeit für deutsche Autoren durchaus üblich war, sich amerikanisch oder britisch klingende Pseudonyme zuzulegen. Was wiederum als Rückschluss dazu führen könnte, dass eine Reihe wie Mythenwelt, die von einem Deutschen konzipiert, jedoch von einem Amerikaner ausgearbeitet und geschrieben wurde, bei manchen Lesern zu Missverständnissen führt.
Deshalb, um es gleich vorweg zu nehmen, mein Ehrenwort: »James A. Owen« ist kein Pseudonym. Er ist in den USA geboren und lebt noch immer dort. Die meisten Orte, über die er in diesem und den kommenden sechs Romanen schreibt, hat er nie selbst bereist – einschließlich jener in Deutschland. Als wir uns kennen lernten, wohnte er in einer viktorianischen Villa, die ein Geistlicher im 19. Jahrhundert auf einer abgeschiedenen Insel nördlich von Seattle erbaut hat. Heute lebt er in Arizona und durfte, nebenbei bemerkt, während der Arbeit am fünften Mythenwelt-Band die Fenster nicht öffnen – die Waldbrände, die im Juni und Juli 2002 weite Teile dieses Bundesstaats verwüstet haben, waren so nah an sein Haus herangerückt, dass der Rauch zu einem beträchtlichen Gesundheitsrisiko geworden war.
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Vor ein paar Jahren, etwa zu der Zeit, als ich an meinem Roman Loreley arbeitete, sprachen mein damaliger Lektor Reinhard Rohn und ich darüber, einen phantastischen Roman während der Wagner-Festspiele in Bayreuth anzusiedeln – eine Geschichte, in der die Figuren des Nibelungen-Mythos aus den Tiefen des Jungschen Unbewussten emporsteigen und in die Körper ihrer Darsteller fahren.
Das entsprechende Buch habe ich nie geschrieben, aber die Idee blieb hängen – etwas daran war faszinierend genug, um sie über die Jahre hinweg nicht beiseite zu legen oder gar zu vergessen.
Eine ganze Weile später diskutierte ich mit Frank Festa, dem Verleger dieser Reihe, die Möglichkeit, eine Serie von Romanen zu konzipieren, die von anderen Autoren geschrieben werden sollte. Ich fand das ungeheuer reizvoll, und zwar aus folgendem Grund: Ich sollte meinen Namen auf Bücher schreiben dürfen, ohne dabei die ganze Mühe zu haben, die das Schreiben eines Romans zwangsläufig mit sich bringt – wer eine Vorstellung davon hat, wie schreibfaul die meisten Schriftsteller sind, wird nachvollziehen können, wie verlockend diese Aussicht ist. (Es ist keine neue Beobachtung, dass Autoren sehr viel lieber geschrieben haben, als tatsächlich zu schreiben, und das trifft zu hundert Prozent auch auf mich zu.)
Auf den ersten Blick klang die Sache nicht schlecht: Ruhm und Reichtum, ohne selbst einen Handschlag dafür zu tun – Angebote wie diese finde ich viel zu selten in meinem Briefkasten.
Bei näherer Überlegung sah die Sache allerdings ein wenig anders aus: Wollte ich denn überhaupt meinen Namen auf einem Buch sehen, das ein anderer geschrieben hat? Es ist schlimm genug, einen Blick in die eigenen Bücher zu werfen und dabei über Sätze zu stolpern, die man heute anders und hoffentlich besser formulieren würde. Viel schlimmer musste es jedoch sein, wenn ein Anderer diese Sätze geschrieben hat – und trotzdem der eigene Name darüber steht.
Nach einigem Hin und Her sagte ich zu, unter dem Vorbehalt, dass nur dann etwas aus der Sache werden würde, falls wir Autoren fänden, denen ich vorbehaltlos vertrauen könnte. Ich hatte nie vor, jedes Buch exakt zu planen, die Entstehung von A bis Z zu betreuen oder gar das Ganze stilistisch auf eine Linie mit meinen eigenen Romanen zu bringen. Es musste also jemand her, der sehr genau weiß, was er tut – und von dem ich es auch wusste.
Um so erstaunlicher, dass dieses Kriterium ausgerechnet ein Autor erfüllen sollte, der mit Mythenwelt seine ersten Romane
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