Der Heilige Krieg
Hemisphären immer wieder Glaubenskriege gegeneinander – obwohl ihre Offenbarungsreligionen den Frieden preisen? Welche historischen Konfliktmomente erfuhren eine religiöse Aufladung – warum und durch wen? Und sind die Schnittmengen beider Interessensphären nicht weitaus größer, als manche historischen Klischees vermuten lassen?
Seit Monaten befindet sich die arabische Welt im Umbruch. Es gibt begründete Hoffnungen auf eine Demokratisierung und neue Impulse zur Lösung des Nahostkonflikts, aber auch Sorgen: Wie viel Nähe oder Ferne zum Westen steckt in den Befreiungsbewegungen, inwiefern könnten islamistische Gruppen an Einfluss gewinnen, wird sich die junge »Arabellion« als resistent gegen fundamentalistische Einflüsse erweisen, wie wirkt sie sich auf die Sicherheitsarchitektur des Nahen Osten aus?
Immer wieder ragt die Geschichte in die Gegenwart. In fünf Kapiteln soll dieses Buch reflektieren, wie über die Jahrhunderte auf beiden Seiten der Glaube für politische Zwecke instrumentalisiert wurde, wie dabei Denkmuster entstanden, die heute noch wirksam sind. Dabei soll es nicht nur um die Frage gehen, was trennte, sondern auch davon die Rede sein, was einte und welche Gemeinsamkeiten es im Kampf gegen jede Form von religiösem Extremismus heute gibt.
Das Schwert des Propheten
Oft schon sah sich die muslimische Welt pauschal dem Vorwurf ausgesetzt, die Ausbreitung ihrer Religion sei von Anfang an eine Geschichte der Gewalt gewesen. Verdankt der Islam seine rasante Verbreitung tatsächlich nur dem militärischen Erfolg seiner Glaubenskrieger? Historiker verweisen auf eine Vielzahl begünstigender Umstände, die der Mission des Propheten und seiner Nachfolger in die Hände spielte – auch
jenseits von Waffengewalt, denn mit dem neuen Glauben ging auch eine neue Ordnung der Gesellschaft einher und ein für damalige Verhältnisse fortschrittliches Rechtssystem. Mohammed rief den Dschihad im 7. Jahrhundert aus, um den jungen islamischen Staat auf der Arabischen Halbinsel gegen die heidnischen Beduinen zu festigen. Nach Mohammeds Tod diente der geheiligte Kampf zur Expansion und zur Verbreitung des Islam, der wie das Christentum den Anspruch auf universale Geltung verfocht. Muslimische Krieger setzten im Jahr 711 von Marokko nach Spanien über. In nur zwei Generationen entstand ein Reich, das sich von Innerasien bis an die Pyrenäen erstreckte.
Der weitere Vorstoß nach Norden wurde schließlich von dem Franken Karl Martell in der Schlacht bei Tours und Poitiers (732) gestoppt. Die Kampfhandlungen wurden später zu einem welthistorischen Schlagabtausch von Islam und Christentum stilisiert. Die Zeitgenossen empfanden den Konflikt weit weniger dramatisch, schon gar nicht als Machtkampf zweier Religionen. Tatsächlich bildeten Herrscher beider Glaubensrichtungen immer wieder Koalitionen, wenn es opportun erschien, etwa Karl der Große (der Enkel Karl Martells) mit dem Kalifen von Bagdad Harun ar-Raschid. Wo der Glaube nicht als unüberwindlicher Gegensatz empfunden wurde, blühte auch der kulturelle Austausch.
Kreuzzug nach Jerusalem
Der Begriff »Kreuzzug« hat in der islamischen Welt einen ähnlich negativen Klang wie das Wort »Dschihad« in der westlichen. Vierhundert Jahre nach der muslimischen Expansion in der Nachfolge Mohammeds holte das christliche Europa zum Gegenschlag aus. »Gott will es«, lautete die Losung der Palästinafahrer, die sich in Westeuropa sammelten. Die Befreiung des »Heiligen Landes« aus muslimischer Hand galt als Weg zum Erlass von Sündenstrafen. Am Ende der ersten – vom Papst persönlich – sakralisierten Heerfahrt stand die Eroberung Jerusalems (1099). Bei der Erstürmung der Stadt richteten christliche Ritter ein Massaker an, das unvergessen blieb. In einer Rückbesinnung auf den »Dschihad« bündelten muslimische Herrscher nach und nach ihre Kräfte, um die verlorenen Territorien wieder zurückzugewinnen. Das hinderte beide Seiten nicht daran, zwischenzeitlich auch Allianzen einzugehen. Manche christliche
Europäer empfanden Bewunderung für die islamische Zivilisation. Zur legendären Figur wurde Sultan Saladin, der zum »Dschihad« gegen die »Franken« aufrief und Jerusalem 1187 für die Muslime zurückeroberte. Anders als die christlichen Ritter verschonte er dabei die Zivilbevölkerung. Auch der römisch-deutsche Kaiser Friedrich II. suchte die Verständigung, der Staufer erwirkte 1229 ohne einen Schwerthieb die Rückgabe Jerusalems an die Christen –
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