Der heimliche Rebell
Volksgesundheit nutzte. Und die Sendung ,Auf der Bühne der Geschichte’ war – in angemessenem Rahmen natürlich – jede Anstrengung wert. Montags abends beeilte sie sich stets; auch ja früh genug nach Hause zu kommen; in zehn Jahren hatte sie noch nicht eine Folge versäumt.
Ein bunt sprühendes Feuerwerk explodierte quer über den Bildschirm, und aus dem Lautsprecher drang das Knattern von Gewehren. Eine gezackte, fetzige Schriftzeile schnitt durch das verschwommene Kriegsgetümmel:
AUF DER BÜHNE DER GESCHICHTE
Ihr Programm hatte angefangen. Sie verschränkte die Arme, lehnte den Kopf zurück und konzentrierte sich ganz auf das Bild, das jetzt auf dem Bildschirm erschien – ein Tisch, an dem vier würdige Herren saßen. Eine Diskussion war im Gange, und im Hintergrund waren leise Worte hörbar. Da r über war die Stimme des Ansagers geblendet.
„Auf der Bühne der Geschichte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, an diesem Tisch sitzen vier Männer, jeder eine herausragende Persönlichkeit und Autorität auf seinem Gebiet. Sie sind zusammengekommen, um über eine Frage zu diskutieren, die für jeden Bürger der MoRes-Gesellschaft von lebenswichtiger Bedeutung ist. In Anb e tracht der außerordentlichen Wichtigkeit dieser Sendung verzichten wir auf die sonst üblichen Werbeeinblendungen. Die Diskussion, die bereits läuft, wird also ohne Unterbr e chung bis zum Ende unserer Sendezeit durchgehen. Unser Thema heute abend…“ Deutlich sichtbare Worte wuchsen auf dem Bildschirm.
AKTIVE ASSIMILATION IN DER WELT VON HEUTE
Mrs. Birmingham war entzückt. Seit einiger Zeit hörte sie ständig von dieser Aktiven Assimilation, und hier nun bot sich ihr endlich die Gelegenheit, ein für allemal zu erfahren, was das war. Ihr Mangel an Information hatte ihr schon das Gefühl gegeben, nicht mehr auf der Höhe der Zeit zu sein. „Zu meiner Rechten sitzt Dr. Joseph Gleeby, der bekannte Lehrer, Dozent und Verfasser zahlreicher Bücher über Pr o bleme sozialer Wertorientierung.“ Ein hagerer Mann mittl e ren Alters, der eine Pfeife rauchte und sein Ohr rieb, wurde gezeigt. „Zu Dr. Gleebys Rechten haben wir Mr. Harold Pr i ar, seines Zeichens Kunstkritiker, Architekt und regelmäß i ger Autor von Beiträgen zur Encyclopedia Britannica.“ Eine kleinere Gestalt mit konzentriertem, ernstem Gesicht kam ins Bild. „Neben Mr. Priar sitzt Professor Sugermann, de s sen historische Studien den gleichen Rang einnehmen wie die von Gibbon, Schiller und Toynbee. Wir sind sehr glüc k lich, Professor Sugermann bei uns begrüßen zu dürfen.“ Die Kamera schwenkte weiter, um Professor Sugermanns schwere, würdevolle Gesichtszüge zu zeigen. „Und neben Professor Sugermann sitzt Mr. Thomas L. Gates, Anwalt, Bürgerschaftssprecher und während einer Reihe von Jahren Berater des Komitees.“
Jetzt erschien der Moderator, und Mrs. Birmingham sah sich Allen Purcell gegenüber.
„Und ich“, sagte Mr. Purcell, „bin Allen Purcell, der D i rektor von Telemedia.“ Er nahm am Ende des Tisches neben dem Wasserkrug Platz. „Ich glaube, meine Herren, wir sol l ten vielleicht mit ein paar kurzen Worten über die Herkunft des Begriffs ,Aktive Assimilation’ beginnen. Wie genau kam es eigentlich dazu, daß Major Streiter diese Politik en t wickelte, die sich als so wirkungsvoll im Umgang mit opp o sitionellen Gruppen erweisen sollte?“
„Nun, Mr. Purcell“, begann Professor Sugermann, hüste l te und strich sich bedeutungsschwer übers Kinn, „der Major hatte ja bei vielen Gelegenheiten aus eigener Anschauung die verheerenden Auswirkungen des Krieges auf vorwi e gend landwirtschaftliche und nahrungsmittelproduzierende Regionen kennengelernt, etwa auf die Viehzuchtgebiete des Westens, die Weizenfelder von Kansas oder die Milchind u strie Neu-Englands. Diese waren praktisch ausradiert, und natürlich gab es, wie wir ja alle wissen, in großen Teilen des Landes eine Nahrungsmittelverknappung, wenn nicht gar Hungerkatastrophen. Dies trug zu einem Nachlassen der G e samtproduktivität bei, was sich besonders negativ auf den Wiederaufbau der Industrie auswirkte. Und während dieser Periode brachen natürlich auch die Nachrichtenverbindu n gen zusammen; ganze Landstriche wurden abgeschnitten; es herrschte allgemeine Anarchie.“
„Darüber hinaus“, warf Dr. Gleeby ein, „wurden viele der Probleme, die sich aus dem Verfall der moralischen Sta n dards im Zeitalter der Großen Verschwendung ergeben ha t ten, durch
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