Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Heiratsspezialist

Der Heiratsspezialist

Titel: Der Heiratsspezialist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Schilder WEGEN TRAUERFALL GESCHLOSSEN.
    Er trug einen weißen Leinenanzug, weiße Gummischuhe und eine himbeerrote Schürze mit dem Aufdruck ONKEL STEVE – DER EISMEISTER. Auf seinem Kopf saß ein weißes Käppchen.
    Bob Brook kam sich ungeheuer blöd vor. Der Mensch ist eine der merkwürdigsten Schöpfungen Gottes. Während in der Natur alles nach bestimmten Gesetzen abläuft, ist der Mensch völlig unberechenbar. Ein Grashalm wächst, blüht, streut Samen und vergeht; eine Blume lebt ihren naturgemäßen Rhythmus; aus kümmerlichen Trieben entstehen gewaltige Bäume. Alles geradlinig, unbeirrt, tausendfach erprobt. Nur der Mensch steckt voller Inkonsequenzen und rennt um die Ecke, wenn er auch geradeaus weiterkommen könnte.
    Bob Brook war dafür ein Musterbeispiel.
    Natürlich verkaufte er Onkel Steves Ice-Saloon nicht, sondern bemühte sich ein halbes Jahr lang, dem Ruf gerecht zu werden, das beste Eis von Las Vegas zu machen. Seine Stelle bei der Methodistenkirche in Atlanta hatte er gekündigt, seine beiden Trompeten herüberschicken lassen, die Wohnung verkauft und von dem Erlös in Las Vegas ein gebrauchtes Klavier erstanden. Als er zum erstenmal darauf Beethovens ›Wut über einen verlorenen Groschen‹ spielte, brach Jenny in Tränen aus, heulte: »Ach Gott, ist das schön!« und war kaum zu beruhigen.
    Natürlich hatte er auch mit Jenny geschlafen, obgleich er das gar nicht wollte. Es geschah geradezu zwangsläufig, so wie dergleichen eben passiert, wenn ein Mädchen wie Jenny einen Wohnungsschlüssel besitzt: Eines Nachts erwachte Bob, als sich ein warmer, weicher, glatter Körper in sein Bett schob und zwei Arme sich um ihn legten. Es duftete nach einem Jasminparfüm, das ihm inzwischen wohlbekannt war.
    »Bist du verrückt, Jenny?« fragte er. »Laß das!«
    »Ich kann nichts dafür«, antwortete sie. »Ich fühle mich hier zu Hause.«
    Auch ein Argument. Bob verzichtete auf eine Diskussion. Am Morgen aber stellte er sachlich fest:
    »Wir sind uns darüber im klaren: Das beinhaltet keine Verpflichtungen.«
    »Wie war das?«
    »Beinhaltet! Was in der Nacht passiert, hat mit dem Tag nichts zu tun. Ist das klar?«
    »Völlig, Boß!« Jenny lief im Kostüm des Paradieses durch die Wohnung, drehte die Kühlungen auf mittel und setzte die Saftmaschine an. Sechs Uhr morgens. Gleich wurde die Milch angeliefert. »Sollen wir nicht auch noch Kleingebäck ins Sortiment aufnehmen?«
    Es war nicht zu leugnen: Jenny war eine Wucht! Aber die Geschäfte gingen deswegen nicht besser. Der Ice-Saloon war eben doch zu abgelegen. Eine Stammkundschaft fehlte. Das sah auch Luigi Galezzano ein, der sich nach einer Trauerzeit von zwei Wochen bei Bob vorstellte. Man einigte sich auf zwei Prozent vom Umsatz, nicht der Rede wert, nur eine Art Anerkennungsgebühr.
    Jede Woche hatte Bob seinen Stammtisch. Der Teilnehmerkreis war, im Gegensatz zur Eiskundschaft, ausgesprochen exklusiv. Man tagte in der Hinterstube, Jenny kochte, servierte und trug, wenigstens visuell, zum allgemeinen Wohlbefinden bei. Es trafen sich: Bob, Sheriff Allen Brass, Pfarrer McDolland und Ernesto de Trajano, der Richter in Bobs Bezirk, dessen Spezialität Ehescheidungen waren. Fast ebenso schnell wie man bei McDolland heiraten konnte, konnte man bei de Trajano geschieden werden. Neben den üblichen Gebühren gab es Spenden … Alles war legal – einfach phantastisch. Auch Onkel Steve hatte davon profitiert. Die Stammtischbelegschaft stiftete oft das Abendessen und brachte Fleisch mit, das sich Steve sonst nur zweimal in der Woche leisten konnte.
    »Heute kommt der ganze Bockstall wieder –« pflegte Jenny zu sagen, wenn der Stammtisch sich ankündigte. Meist rief Pfarrer McDolland an, der einmal ausgerufen hatte: »Es stimmt nicht, daß Gott am siebten Tag sich ausruhte! An diesem gesegneten Tag schuf er das Essen!« Meist waren das die Montagabende, an denen Las Vegas ausatmete und die Wochenenddirnen per Auto oder Bahn abgereist waren. Das Spiel um Millionen ging natürlich weiter, es kannte keine Verschnaufpausen, es ratterte rund um die Uhr und würde weiterrattern bis zum Jüngsten Tag.
    An einem dieser Stammtischabende legte Bob eine Zeitung auf den Tisch und blickte in die Runde. Allen Brass kniff die Augen zu. Das kann nicht sein, dachte er. Er hat durch die Zeitung einen Käufer gefunden. Der noch Unbekannte mußte irgendwo getürmt sein.
    »Ich habe es satt«, sagte Bob Brook ohne jede Erregung, fast im Plauderton, »bis zum Kragenknopf satt!

Weitere Kostenlose Bücher