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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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unter ihre Röcke zu greifen.
    Die Brüder
vermochten die Schmach der Frau nicht länger mit anzusehen. Hermann stürmte als
Erster auf den Mann zu. In dem Moment, als dessen Hand erneut zwischen ihre
Schenkel fuhr, traf seine Faust den Wüstling mit Wucht mitten ins Gesicht.
    »Elender!«, brüllte
Hermann. Blut spritzte. Als er zu einem weiteren Schlag ausholte, gebot ihm
Anton Einhalt. Obwohl er einen ganzen Kopf kleiner war, hielt er den Wütenden
von hinten an den Armen gepackt und versuchte, ihn zu beruhigen. »Zähme deinen
Unmut, Bruder. Der Schelm trägt Kleider aus Seide und Brokat. Ich befürchte,
der Händel bringt uns Ärger ein.«
    Der Mann tupfte sich
mit einem Tuch das Blut von der Nase. Rasch zog Anton den Bruder zu einer
Verbeugung nach unten. »Das ist ein hoher Herr, der wahrscheinlich das holde
Kind völlig zu Recht malträtiert«, flüsterte er dabei leise. »Wir müssen uns
entschuldigen.«
    »Und ob!«, schimpfte
nun seinerseits der Mann, dem Antons Worte nicht entgangen waren. Er hatte sein
bei dem Gerangel vom Kopf gefallenes Barett aufgehoben und betrachtete jetzt
ärgerlich den verdorbenen Federschmuck. »Den Schaden werdet Ihr mir ersetzen,
Fremder. Was erdreistet Ihr Euch überhaupt, dieser Hexe zu Hilfe zu eilen?«
    »Aus Ehre und
Anstand, hoher Herr«, antwortete Anton, um auf ihre gute Erziehung hinzuweisen,
»und aus Ritterlichkeit für das schwache Weib.«
    Hermann dagegen war
nicht so schnell zu besänftigen. Wütend drohte er dem Mann mit der Faust. »Ob
Herr oder nicht, wenn Ihr nicht augenblicklich Fersengeld gebt, wird Euch meine
Faust ein zweites Mal lehren, wie man sich einem Weibe gegenüber gebührend
benimmt!«
    Der Mann lief vor
Zorn puterrot an, ließ sich jedoch von der Drohung nicht sonderlich
einschüchtern und bewahrte Haltung. Er hatte sofort bemerkt, dass die beiden
Burschen unterschiedlichen Temperaments waren und Anton sich als der
Besonnenere zeigte – was er zu seinen Gunsten nutzte, um nach dem ersten
Schreck zum Gegenangriff überzugehen.
    »Euch scheint nicht
bekannt zu sein, wer vor Euch steht. Das Vergreifen an einem Ratsmann wird Euch
eine hohe Strafe kosten.« Er hatte das Barett zurück auf die verrutschte
Perücke gesetzt und wartete lauernd auf die Wirkung seiner Worte, die ihr Ziel
nicht verfehlten. Hermann entschuldigte sich bei ihm, wenn auch widerstrebend.
    »Verzeiht mein
unflätiges Handeln, hoher Herr! Mein Bruder und ich sind Durchreisende und auf
der Suche nach einem Quartier. Unsere Ehre gebot uns, der Frau zu Hilfe zu
eilen. Wir glaubten, sie aus den Händen eines Bösewichtes zu befreien. Wir
wussten nicht, dass wir es dabei –«
    »– mit dem Werwolf
Hans Hancke, einem Nachbarn meines Vaters, zu tun haben!«
    Weder Hermann noch
Anton hatten in der Aufregung auf die Frau geachtet. Sie war aus dem Schutz des
Torbogens hervorgetreten, unter welchen sie sich geflüchtet hatte. Während der
Auseinandersetzung hatte sie still in ihrem Versteck ausgeharrt und gelauscht.
Ihr langes Haar hing nass und strähnig an ihr herunter und verdeckte das
schmale Gesicht, dennoch ahnte Hermann, dass er es mit einer jungen Frau zu tun
hatte, deren holde Weiblichkeit unter anderen Umständen sicher jeden Mann
entzückt hätte. Im strömenden Regen, im Schmutz des aufgeweichten Marktplatzes
und im faden Licht des erleuchteten Apothekerfensters unterschied sie sich
hingegen kaum von jedem anderen gemeinen Weibe – zumal sie zum Erstaunen der
Brüder sofort wie ein Marktweib mit loser Zunge zu keifen begann. Hermann und
Anton tauschten überraschte Blicke, und Hermann fragte sich, wie es sein
konnte, dass in einem solch zarten Körper eine derartige Furie steckte.
    »Es ist eben nicht
alles Gold, was glänzt«, grinste Anton und legte sich belustigt die Hände auf
die Ohren, während das Weib sich noch dreister Luft machte.
    »Lasst Euch von dem
Hurensohn nur nicht einschüchtern, Fremde. Er ist ein Halsabschneider und ein
Schelm, auf keinem Fall aber ist er ein Ratsherr! Das war er, als er noch mit
unserem Scharfrichter, Meister David, in Geschäften stand. Unlängst hat er
meine Frau Mutter überfallen, sie für eine Diebin hart gescholten und dazu mit
einer vollen Kanne Bier vor die Stirn geschlagen, dass ihr das Blut über das
Angesicht gelaufen und sie etliche Tage sehr schmerzlich gelegen ist! Aber mein
Vater, der ehrenwerte Ratsherr Cordt Rampendahl, wird ihn noch lehren, dass wir
solche Schmäh und Lasterworte nicht auf uns sitzen lassen! Seine

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