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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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man den Teufel
nicht verjagen?«, fragte Hermann. Sie schien in Rätseln zu sprechen, zudem
hielt er nicht viel von Teufels- und Hexengeschichten.
    »Ihr macht Euch
lustig über mich?«
    Maria schien es mit
ihren Worten todernst zu sein.
    »Wenn Ihr einen
guten Rat wollt, dann solltet Ihr Euch nicht zu lange in dieser Stadt aufhalten
und alsbald wieder Eures Weges ziehen. Bei Eurer losen Zunge könntet Ihr gar
schnell in das Gerücht geraten, ein Hexenmeister zu sein!«
    Das Sommergewitter
verdunkelte erneut den Nachmittagshimmel und verwandelte ihn in ein brodelndes
Meer wogender Wolken. Schwarze, weiße und graue Ungetüme türmten sich
übereinander und flossen und verschmolzen ineinander, wurden zum Spielball der
Luftmassen. Ein heftiger Sturm erfasste ihre Kleidung, ihre Haare und
Tornister, die in alle Richtungen gewirbelt wurden. Hermann griff nach Maria
und zog sie an sich. Auch Anton war sofort an seiner Seite. Vereint stemmten
sie sich gegen den Wind, während sie durch das Pfeifen und Heulen des Sturmes
die Glocken der Nikolaikirche läuten hörten.
    »In meines Vaters
Haus, schnell!«, schrie Maria gegen den Wind an, und alle drei stürzten
gleichzeitig durch ein Tor, das hinter ihnen mit quietschenden Angeln in das
Schloss fiel. Nur mit äußerster Anstrengung gelang es den beiden Knechten, die
eisernen Riegel vorzuschieben.
    Das Erste, was
Hermann durch die rot geränderten Augen erblickte, war ein großer brennender
Kamin im hinteren Fachwerkteil der geräumigen Diele. Im Hohlraum über dem Feuer
stak ein schwerer Spieß mit den Resten eines halb verzehrten Ferkels. In dem
rauchgeschwängerten Raum davor saßen oder lümmelten etwa ein Dutzend Männer und
Frauen auf Holzbänken und Holzstühlen vor massiven Tischen. Die meisten hatten
Zinnkrüge vor sich stehen. Mehrmals ertönte der Ruf »Margaretha, Bier!«,
woraufhin eine Maid eilig zwischen den Tischen hin und her tippelte, Bier mit
einer Kelle aus einer Kanne nachfüllte und mit dem Tuch am Gürtel die
Tischplatten von den verschütteten Resten säuberte. Zwischendurch verteilte sie
Tonschalen zum Spucken und zum Reinigen der Finger.
    Die aufgedunsenen
Gesichter der Gäste zeugten von reichlichem Branntwein- und Biergenuss, und so
manches Mal musste sich die junge Frau derber Zoten oder Anzüglichkeiten
erwehren. Dann stemmte sie die runden Fäuste in die Hüften und zeigte sich,
weiß Gott, nicht zimperlich.
    »Wollt Ihr es etwa
mit mir aufnehmen, Amtmann?«, hörte Hermann sie einmal kreischen. »Dazu hättet
Ihr früher aufstehen müssen. Unter meine Röcke kommt eher der Teufel als einer
wie Ihr!« Ihre schlagfertige Antwort hatte schallendes Gelächter zur Folge. Ein
betrunkener Zwerg hatte sich erhoben und begann mit unbeholfenen Sprüngen auf
sie zuzutapsen. Er taumelte leicht, fing sich zuerst noch rechtzeitig, prallte
aber dann gegen ein Bierfass und blieb dort schnarchend liegen.
    In der hintersten
Ecke kam es zu einer Keilerei. Ein großer, schwerer Kerl drohte einer
Bohnenstange in weiten Beinkleidern und breitkrempigem Hut mit der Faust: »Mit
dir, Hexenmeister, werde ich nicht trinken!« Der Schmächtige spuckte abfällig
aus, woraufhin ihn der Beleidigte packte, zu Boden warf und ihn mit seinen
Fäusten traktierte, bis ihm das Blut aus der Nase lief. Doch so schnell, wie
der Streit begonnen hatte, war er auch wieder beendet, und die zwei fuhren
fort, friedlich miteinander zu saufen.
    Die heiße Luft stank
ekelerregend. Es roch nach Rauch, schalem Bier, Kot, ranzigem Fleisch und
Fisch. Als Hermann einen Schritt nach vorn machte, huschte eine Ratte vor ihm
davon. Erschrocken sprang er beiseite. Anton hatte einen fassrunden, auf ihn
einstürmenden Ziegenbock bei den Hörnern gepackt. Er schleuderte ihn ein Mal um
sich herum, bis das Vieh mit Schwung auf dem Boden landete, sich wieder
aufrappelte und besiegt davontrottete.
    Einige der Gäste
grinsten anerkennend. »Gut so, Fremder!«, brüllte es aus einer Ecke. »Endlich
hat es mal einer dem Viech gegeben.« Dann löste sich ein alter Mann in einem
Lederkoller vom Nachbartisch. Obwohl sein rotes Haar bereits ergraute, war er
noch immer von mächtiger Erscheinung. Mit schwerfälligen Schritten trat er
neugierig zu ihnen herüber. Er hatte reichlich vom Bier genossen, versuchte
aber, aufrecht zu gehen. Der Blick seiner blauen Augen kam Hermann bekannt vor.
Er erinnerte ihn an den der Jungfer. Er sah sich nach ihr um.
    »Ihr sucht
vergeblich nach der Jungfer Maria. Meine Tochter besorgt

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