Der Herr der Ringe
spüren wir sie, selbst wenn sie verborgen ist. Schon steigt sie über Ostgebirge. Es ist der Beginn des Tages in den Himmelsfeldern.«
»Dann müssen wir aufbrechen, sobald wir können«, sagte Éomer. »Selbst so können wir nicht hoffen, Gondor heute zur Hilfe zu kommen.«
Merry wartete nicht ab, noch mehr zu hören, sondern machte sich davon, um für den Marschbefehl bereit zu sein. Das war nun der letzte Abschnitt vor der Schlacht. Es kam ihm nicht wahrscheinlich vor, dass viele sie überleben würden. Aber er dachte an Pippin und die Brände in Minas Tirith und verdrängte seine eigene Angst.
Alles ging gut an jenem Tag, und sie sahen und hörten nichts von dem Feind, der darauf wartete, sie abzufangen. Die Wilden Menschen hatten zur Abschirmung umsichtige Jäger als Vorposten aufgestellt, damit kein Ork oder herumstreifender Späher von den Vorgängen in den Bergen etwas erführe. Das Licht war trüber denn je, als sie sich der belagerten Stadt näherten, und in langen Reihen zogen die Reiter wie dunkle Schatten von Menschen und Tieren dahin. Jede Reiterschar wurde von einem wilden Waldmenschen geführt; aber der alte Ghân ging neben dem König. Zu Beginn war es langsamer gegangen, als man gehofft hatte, denn es hatte die Reiter, die zu Fuß gingen und ihre Pferde führten, Zeit gekostet, Pfade über die dicht bewaldeten Grate hinter ihrem Lager und hinunter in das verborgene Steinkarrental zu finden. Es war spät am Nachmittag, als die Führer zu ausgedehnten grauen Dickichten kamen, die sich jenseits der Ostseite des Amon Dîn erstreckten und eine große Schlucht zwischen den Bergketten verbargen, die von Nardol bis Dîn von Ost nach West verlief. Durch die Schlucht hatte vor langer Zeit die vergessene Karrenstraße hinuntergeführt und dann zurück zu dem wichtigen Pferdeweg von der Stadt durch Anórien; aber seit vielen Menschenaltern hatten nun schon die Bäume ihr Wesen dort getrieben, und die Straße war verschwunden, verfallen und unter den Blättern unzähliger Jahre begraben. Doch die Dickichte boten den Reitern die letzte Deckung, auf die sie hoffen konnten, ehe sie in die offene Schlacht zogen; denn jenseits der Dickichte lagen die Straße und die Ebene des Anduin, während die Abhänge nach Osten und Süden kahl und felsig waren, wo sich die gewundenen Berge zusammenzogen und wie ein Bollwerk über dem anderen hinaufstiegen zu dem Gebirgsstock und den Schultern des Mindolluin.
Die vorderste Schar wurde angehalten, und als die hinteren aus der Mulde des Steinkarrentals herangekommen waren, schwärmten sie aus und ritten zu Lagerplätzen unter den grauen Bäumen. Der König rief die Hauptleute zur Beratung zu sich. Éomer schickte Späher aus, um die Straße zu beobachten; aber der alte Ghân schüttelte den Kopf.
»Nicht gut, Pferdemenschen zu schicken«, sagte er. »Wilde Menschen haben schon alles gesehen, was in der schlechten Luft zu sehen ist. Sie werden bald kommen und hier mit mir sprechen.«
Die Hauptleute kamen; und dann krochen vorsichtig andere Puckelgestalten zwischen den Bäumen hervor, die dem alten Ghân so ähnlich waren, dass Merry sie kaum auseinanderhalten konnte. Sie sprachen mit Ghân in einer fremden, kehligen Sprache.
Nun wandte sich Ghân an den König. »Wilde Menschen sagen viele Dinge«, sagte er. »Vor allem, seid vorsichtig! Noch immer viele Menschen im Lager hinter Dîn, von hier eine Stunde zu Fuß dort drüben«, und er zeigte mit dem Arm auf den dunklen Leuchtfeuerberg. »Aber keine sind zu sehen zwischen hier und den neuen Mauern des Steinvolks. Viele sind dort beschäftigt. Die Mauern stehen nicht mehr: Gorgûn haben sie zerschlagen mit Erddonner und Keulen aus schwarzem Eisen. Sie sind unvorsichtig und schauen sich nicht um. Sie glauben, ihre Freunde bewachen alle Straßen!« Dabei gab der alte Ghân einen seltsamen gurgelnden Laut von sich, und es schien, dass er lachte.
»Gute Nachrichten!«, rief Éomer. »Selbst in dieser Düsternis schimmert wieder Hoffnung. Die Listen unseres Feindes nützen uns oft ihm zum Trotz. Selbst die verfluchte Dunkelheit ist ein Deckmantel für uns. Und jetzt, da es sie gelüstet, Gondor zu zerstören und Stein um Stein niederzureißen, haben seine Orks meine größte Befürchtung ausgeräumt. Die Außenmauer hätte lange gegen uns gehalten werden können. Jetzt können wir hindurchjagen – wenn wir erst einmal so weit gekommen sind.«
»Noch einmal danke ich dir, Ghân-buri-Ghân der Wälder«, sagte Théoden. »Glück
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