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Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe

Titel: Der Herr der Ringe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien
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den Nazgûl und seine Beute! Denn dich wird er nicht erschlagen. Dich wird er davontragen zu den Klagehäusern, jenseits aller Dunkelheit, wo dein Fleisch verzehrt und deine verdorrte Seele nackt dem Lidlosen Auge überlassen werden soll.«
    Ein Schwert klirrte, als es gezogen wurde. »Tu, was du willst; aber ich werde es verhindern, wenn ich kann.«
    »Mich hindern? Du Narr. Kein lebender Mann kann mich hindern!«
    Dann hörte Merry von allen Geräuschen in dieser Stunde das seltsamste. Es schien, dass Dernhelm lachte, und die helle Stimme war wie der Klang von Stahl. »Aber kein lebender Mann bin ich! Du siehst eine Frau vor dir. Éowyn bin ich, Éomunds Tochter. Du stehst zwischen mir und meinem Herrn und Verwandten. Fort mit dir, wenn du nicht unsterblich bist! Denn ob du nun ein Lebender oder ein untoter Schatten bist, ich werde dich niederstrecken, wenn du ihn anrührst.«
    Das geflügelte Geschöpf fauchte sie an, aber der Ringgeist gab keine Antwort, und er schwieg, als ob er plötzlich im Zweifel sei. Echte Verblüffung überwand für einen Augenblick Merrys Ängste. Er öffnete die Augen, und die Schwärze war von ihnen gewichen. Dort, ein paar Schritte vor ihm, saß das große Tier, und ringsum schien alles dunkel, und über ihm erhob sich der Herr der Nazgûl wie ein Schatten der Hoffnungslosigkeit. Ein wenig nach links stand ihnen gegenüber jene, die er Dernhelm genannt hatte. Doch der Helm ihrer Heimlichkeit war von ihr abgefallen, und ihr helles Haar, seiner Bande ledig, schimmerte in blassem Gold um ihre Schultern. Ihre Augen, grau wie das Meer, waren hart und grausam, und dennoch rannen Tränen über ihre Wangen. Ein Schwert war in ihrer Hand, und sie hob ihren Schild gegen die Entsetzlichkeit der Augen des Feindes.
    Éowyn war es, und Dernhelm auch. Denn Merry entsann sich plötzlich des Gesichts, das er gesehen hatte, als sie von Dunharg losgeritten waren: das Gesicht eines Menschen, der den Tod sucht, weil er keine Hoffnung hat. Mitleid erfüllte sein Herz und großes Staunen, und plötzlich erwachte der schwerentflammbare Mut seines Volkes. Er ballte die Hände. Sie sollte nichtsterben, so schön, so verzweifelt! Zumindest sollte sie nicht allein sterben, ohne Hilfe.
    Das Gesicht ihres Feindes war ihm nicht zugewandt, doch noch wagte er sich kaum zu rühren und fürchtete sich davor, dass sein tödlicher Blick auf ihn falle. Langsam, langsam begann er zur Seite zu kriechen; doch der Schwarze Heerführer, in Zweifel und seine Bosheit nur auf die Frau vor ihm gerichtet, beachtete ihn nicht mehr als einen Wurm im Schlamm.
    Plötzlich schlug das große Tier mit seinen abscheulichen Flügeln, und der Luftzug von ihnen war verpestet. Wieder sprang es in die Luft und ließ sich dann geschwind auf Éowyn fallen, und es kreischte und schlug zu mit Schnabel und Klauen.
    Noch wich sie nicht zurück: Maid der Rohirrim, Tochter von Königen, schlank wie eine Stahlklinge, schön und dennoch schreckenerregend. Einen raschen Hieb führte sie, geschickt und tödlich. Den ausgestreckten Hals spaltete sie, und der abgehauene Kopf fiel wie ein Stein. Zurück sprang sie, als der riesige Körper herabstürzte, die gewaltigen Schwingen ausgebreitet, und auf der Erde zusammenbrach; und zugleich mit seinem Sturz verschwand der Schatten. Ein Lichtschein fiel auf sie, und ihr Haar schimmerte im Sonnenaufgang.
    Von dem Kadaver erhob sich der Schwarze Reiter, groß und drohend ragte er über Éowyn auf. Mit einem hasserfüllten Schrei, der wie Gift in den Ohren brannte, ließ er seine Keule niedersausen. Ihr Schild zersplitterte in viele Stücke, und ihr Arm war gebrochen; sie strauchelte und fiel auf die Knie. Wie eine Wolke beugte er sich über sie, und seine Augen funkelten; er hob die Keule, um sie zu töten.
    Doch plötzlich strauchelte auch er mit einem bitteren Schmerzensschrei, sein Hieb verfehlte das Ziel und traf den Boden. Merrys Schwert hatte ihn von hinten angegriffen, den schwarzen Mantel zerschnitten und unter dem Panzerhemd die Sehne hinter seinem mächtigen Knie durchbohrt.
    »Éowyn! Éowyn!«, rief Merry. Da richtete sie sich wankend auf und stieß mit letzter Kraft ihr Schwert zwischen Krone und Mantel, als sich die großen Schultern vor ihr beugten. Das Schwert zerbarst funkensprühend in unzählige Bruchstücke. Die Krone rollte klirrend fort. Éowyn fiel nach vorn auf ihren gefallenen Feind. Doch siehe! der Mantel und das Panzerhemd waren leer. Gestaltlos lagen sie jetzt auf dem Boden, zerrissen und

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