Der Herr der Tränen: Roman (German Edition)
mitgebracht, die sie auf dem Leib tragen.«
Rostigan starrte sie leer an. »Ich soll jetzt also die Kosten für ein Heer übernehmen?«
»Nein, nein … es ist nur … also …«
»Pisse und Flamme, du glaubst tatsächlich an diese Sache, Tarzi, oder?«
Sie wirkte erschrocken, und er bemerkte, dass er mit Feuer in der Stimme gesprochen hatte.
»Tut mir leid, kleine Drossel. Ich kannte diese Seite von dir noch gar nicht. Na, ja, Gold weggeben zu wollen und so.«
»Ich glaube doch«, erwiderte sie ein wenig beleidigt. »Nicht die Sache mit dem Gold, aber … Was war denn in Splintholz? Wer hat dich gedrängt, den Wurm zu töten?«
»Mich gedrängt? Ich hätte ihn sowieso erledigt.«
»Ehrlich?«
Cedris gesellte sich zu ihnen. »Sprecht ihr über einen Reuewurm?«, fragte er aufgeregt. »Ich habe gehört, die können sich haushoch aufbäumen.«
»Ja«, sagte Tarzi und wandte den Blick nicht von Rostigan ab. »Vor einiger Zeit hat Rostigan einen erschlagen.«
»Bei der Großen Magie, erzähl uns die Geschichte! Das wäre eine Abwechslung, mal nicht über die Wächter zu reden.«
» Entschuldige, wenn ich dich gelangweilt habe, Cedris«, sagte Tarzi.
Cedris blinzelte. »Nein, nein. Ich habe es nicht so gemeint. Bitte, ich denke nur …« Er drehte sich um und wandte sich an die ganze Gruppe. »Ich würde nur zu gern von den Taten des Helden hören, der mit uns marschiert!« Er deutete auf Rostigan, der in diesem Augenblick begriff, dass man ihn keineswegs als Stück Treibholz betrachtete, das nur im Kielwasser der anderen schwamm. War er sich selbst so vorgekommen?
»Komm, Tarzi«, murmelte er und lächelte. »Halte deine Gefolgsleute bei Laune.«
Tarzi grunzte mürrisch. »Es gab da einen großen Wurm«, begann sie zu berichten. »So lang wie fünf Pferde von der Nase bis zum Schwanz. Seine Haut war schwarz, und er hatte fiese kleine Augen. Unter dem Dorf Splintholz grub er seine Gänge und labte sich am Glück der Menschen, bis ihnen nur noch das Gefühl der Reue blieb. Vor lauter Kummer über vergangenes Unglück konnten die Leute kaum noch ihr Tagwerk verrichten. Glücklicherweise kam Rostigan des Weges und tötete den Wurm. Ende.«
Sie knickste halb und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Manchmal ist Tarzi nicht danach, Geschichten zu erzählen«, sagte Rostigan.
»Das merke ich.« Cedris vollführte eine übertriebene Geste der Enttäuschung.
Rostigan lachte, und Tarzi zog sich schmollend zurück.
Cedris nahm ihren Platz ein. »Also«, sagte er, »du erzählst mir doch, wie es wirklich ist, einen Reuewurm zu erschlagen.«
Rostigan spitzte die Lippen. »Es ist eine Schweinerei.«
Später erreichten sie eine Weggabelung mit einem Wegweiser. Nach Osten gelangte man nach Ander, geradeaus nach Althala. Daneben stand auf einem Sockel ein eigenartiges Standbild aus schwarzem Stein.
Es zeigte eine halb menschliche Kreatur, unbekleidet und wie zum Sprung geduckt, die Hände mit scharfen Fingernägeln ausgestreckt. Ihr unmenschliches Lächeln entblößte scharfe Reißzähne. Sie war am ganzen Körper mit einander überlappenden Schuppen bedeckt, glatt, wo sich die Geschlechtsteile des Mannes hätten befinden müssen; um die Beine wand sich ein Schwanz, der in einem Büschel Federn endete. Auch aus dem Kopf sprossen der Gestalt statt Haare Federn, die in alle Richtungen abstanden.
»Was ist das?«, fragte Cedris und stellte sich vor die Statue. »Es sollte nicht hier stehen. Als ich das letzte Mal hier vorbeigekommen bin, war da noch eine Statue von König Ulden.«
Tarzi musterte die Figur stirnrunzelnd. Sie hatte dieses Wesen oft genug beschrieben und wusste genau, wer es war.
»Salarkis«, sagte sie.
»Salarkis?«, wiederholte Cedris entgeistert. »Dann hat jemand Uldens Standbild durch diese … Huldigung an einen der verdorbenen Wächter ersetzt? Wer sollte so etwas tun?«
Niemand antwortete. Rostigan schwieg und betrachtete die Statue.
»Wir sollten sie umstoßen!«, rief ein junger Mann mit rasiertem Kopf.
Voller Zorn versuchte Cedris, das Standbild umzustürzen, doch es war zu schwer. Einige seiner Freunde sprangen ihm bei, doch auch zusammen schafften sie es nicht.
Cedris grunzte angewidert und trat zurück. »Kommt«, sagte er. »Wir werden den Bewohnern der nächsten Ortschaft sagen, dass hier irgendein verrückter Bildhauer sein Unwesen treibt.«
Sie zogen weiter, aber Rostigan zögerte noch und warf einen Blick in das Gebüsch unter dem gefiederten Wächter. Dort ragten die
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