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Der Herr der Tränen: Roman (German Edition)

Der Herr der Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Der Herr der Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Bowring
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darauf, was sie tun musste.
    »Das ist dann alles«, sagte sie.
    Jandryn flüsterte seinen Dank – wofür, war sie sich nicht sicher – und verließ den Raum.
    Sie ließ den Kopf auf die Hand sinken. Im Kampf gegen die korrumpierten Wächter hatten sie und Mergan Braston viele Ratschläge erteilt. Vielleicht hatte er einfach die Nase voll von ihr.
    Mergan – ihn musste sie auf jeden Fall finden, so viel zumindest stand fest … Aber selbst damit konnte sie nicht anfangen, denn wo sollte sie mit der Suche beginnen? Sie wusste immer noch nicht, wohin er gegangen war. Wenn er ebenfalls wiederauferstanden war, würde er sich doch gewiss auf den Weg nach Althala machen? Und doch hatte sie nicht die Spur einer Nachricht von ihm erhalten.
    »Ah«, erklang eine Stimme, und sie riss den Kopf hoch.
    Salarkis saß grinsend in einem Sessel ihr gegenüber mit nichts bekleidet als einem Gürtel mit Dolchen um die Taille.
    »So ist es besser«, sagte er. »Lass mich das eine hübsche Gesicht unter uns allen sehen.«
    Yalennas Blut geriet in Wallung. War er hier, um sich zu rächen? Sie stellte fest, dass sie gleichzeitig Angst hatte und seltsam erfreut darüber war, ihn zu sehen.
    Hielt der Segen noch immer, den sie ihm gegeben hatte?
    »Ich freue mich auch, dich zu sehen, alter Freund«, erwiderte sie, und er kicherte auf eine Weise, die gar nicht freundlich war.
    Vor seiner Verwandlung mochte Salarkis der Beste von ihnen allen gewesen sein. Er hatte eine gewisse Wanderlust in sich, bereiste das Land und half Menschen, so gut er konnte. Ein außergewöhnlicher Mann, der nicht vom Streben nach persönlichem Vorteil getrieben wurde, sondern von einer tief verwurzelten Freundschaft zu seinen Mitmenschen. Mergan und Yalenna hatten eine Weile gebraucht, ihn aufzuspüren, denn es zog ihn zu den Rändern menschlicher Gemeinschaft, dorthin, wo die Menschen am verletzbarsten waren und die Seelen am verlorensten. Aber sobald sie ihn gefunden hatten, war es nicht schwer gewesen, ihn für den gemeinsamen Kampf gegen Regret zu gewinnen.
    Nach der Veränderung war nur noch wenig übrig von dem Mann, der Salarkis einst gewesen war. Chaos wurde zu seinem Vergnügen, und er schwelgte darin, die Namen wichtiger Leute zu entdecken und ihnen Messer zu schicken. Dann, nach dem Tod von Forger und Despirrow, hatte es mysteriöserweise keine weiteren Leichen gegeben. Yalenna und Braston jagten ihn trotzdem, denn es waren nicht nur seine Verbrechen, für die er sich zu verantworten hatte. Nach einem Jahr des Suchens hatten Gerüchte
Yalenna allein zu einem kleinen Dorf in einer Ecke des Tupfenwaldes gebracht. Hier fand sie die Menschen in Angst vor, denn obwohl der Wald fröhlich und sonnig war, hatte sich seit Monaten niemand mehr hineingewagt.
    »Dort spukt ein schwarzer Geist, Herrin«, hatte ein Mann gesagt. »Er hasst die Lebenden – er ist eifersüchtig, schätze ich –, also erregst du besser nicht seine Aufmerksamkeit.«
    Yalenna war in den Wald gegangen, leise und vorsichtig, in Erwartung lediglich weiterer loser Enden und falscher Spuren. Stattdessen kam sie zu einer stabilen Hütte in einem einst gerodeten Gebiet, über dem sich langsam der Schirm des Waldes wieder ausbreitete. Vor der Hütte fand sie allerlei Dinge, einen Tisch, einen hohen Stuhl, einen Holzball und andere Spielzeuge, die so aussahen, als seien sie eben noch benutzt worden – bis auf den Umstand, dass sie schon einige Zeit den Elementen ausgesetzt gewesen sein mussten. Neben der Hütte stand ein dicker Baum, in dessen Geäst ein Seil hing, das vielleicht einmal benutzt worden war, um über dem schönen, klaren Teich neben dem Haus zu schaukeln. Jetzt war das Einzige, was daran schaukelte, der Leichnam eines Mannes; Schnitte zeigten sich in seinem ausgedörrten Fleisch, und das Blut, das aus ihnen geflossen war, bildete jetzt trockene Flecken auf den zerfetzten Lumpen, die seine Kleider gewesen waren. Und auf einem Felsen am Rand des Teiches saß eine dunkle Gestalt, ein Mann, dessen gefiederter Schwanz durchs Wasser peitschte.
    Sie bewegte sich auf ihn zu, tappte mit nackten Füßen über das Gras. Sie wollte ihn nicht erschrecken, doch es wurde unausweichlich, als sie näher kam und er sie immer noch nicht bemerkte. Eine ihrer Segnungen prallte von ihm ab, außerstande, seine Schuppen zu durchdringen, und er riss den Kopf herum. Sein Knurren vertiefte sich, als er sie erkannte.
    »Bitte«, begann sie und breitete die Hände aus. »Können wir nicht für einen Moment

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