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Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Bowring
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davon ausgehen, dass alle zurückgekehrt waren.
    »Karrak«, flüsterte er.
    »Oh!« Hanry schüttelte sich. »Karrak hat niemand erwähnt. Beschwör ihn bloß nicht herauf.«
    »Entschuldige«, sagte Forger. »Es ist nur … Seine Legende hat mich immer schon interessiert. Man hat doch nie erfahren, was mit ihm passiert ist, oder? In den Jahren nach dem Tod der Wächter.«
    »So wie es aussieht, waren die Leute einfach froh, dass er weg war.«
    »Ja, auf Nimmerwiedersehen!«, stimmte Forger zu. »Er war ein schrecklicher Bastard.« Er tippte sich an den Hut und grüßte so eine Frau auf einem Pferd, die in die entgegengesetzte Richtung unterwegs war. »Sag mal, gibt es auch Neuigkeiten über die anderen Wächter?«
    »Es wird geflüstert – oh!« Hanry drückte sich wieder eine Hand auf den Bauch, und Schweiß trat ihm auf die Stirn.
    »Du solltest mal zu einem Fadenwirker gehen«, sagte Forger.
    »Das habe ich ja vor«, erwiderte Hanry. »Deswegen bin ich nach Tallaho unterwegs. Hoffentlich helfen sie mir.«
    »Warum denn nicht?«
    »Ach, weißt du, die Guten haben viel zu tun. Vielleicht haben sie keine Zeit für einen alten Hund wie mich.«
    »Sie helfen dir bestimmt«, erwiderte Forger. »Das wollen sie – es liegt ihnen im Blut.«
    »Na, ich hoffe, du hast recht.«
    Der Rest der Reise gestaltete sich recht angenehm. Forger schaute sich aufmerksam um, obwohl sich nicht viel verändert hatte – oder vielleicht gerade deswegen. Die Sonne schien hell, die Straße war voller Menschen, die er grüßen konnte, indem er sich an den Hut tippte. Hanry erzählte Forger von den Gerüchten, die er über Yalenna und die Diebin gehört hatte, und sie unterhielten sich auch über anderes. So erfuhr er, dass in Tallaho nun Elacin regierte. Sie hatte den Ruf, bei Hofe hart und klug zu sein, während sie sich ihrem Volk gegenüber großzügig erwies. Anscheinend war sie erst kürzlich an die Macht gekommen. Die Rechtmäßigkeit ihrer Thronbesteigung wurde angezweifelt, und deswegen waren schon Köpfe gerollt. Zwischendurch wurde Hanry von seinem Bauch geplagt, und nach einer Weile bot Forger an, die Zügel zu übernehmen, damit er ein wenig ausruhen konnte.
    »Ist ja nicht schwer«, knurrte Hanry, als sie die Plätze tauschten. »Es ist nicht anstrengend, ab und zu ein bisschen an den Lederriemen zu ziehen. Dadurch fühle ich mich nicht besser und nicht schlechter.«
    »Aber es ist nur gerecht, wenn ich dich mal ablöse!«, sagte Forger. Er hatte noch nie einen Wagen gelenkt, fiel ihm auf – so etwas Gewöhnliches. Was er getan hatte, war stets ungewöhnlich gewesen. Es war fremd und faszinierend, also ließ er die Zügel heftig schnalzen.
    »Brrr«, sagte Hanry. »Wir verlieren noch ein Rad, wenn du sie zu solcher Eile antreibst.«
    Am späten Nachmittag näherten sie sich Tallaho. Die Stadt lag an einem sanft ansteigenden Hang, der sich bis zu den Steilwänden der östlichen Roshausgipfel erstreckte, an denen auch die Festung von Tallaho lag. Graue Mauern umschlossen die Stadt, und durch das Westtor strömte der Verkehr hinein und heraus. Als sie die Schlange der Wartenden erreichten, wurden sie langsamer, und Hanry reckte den Hals, um nach vorn zu schauen.
    »Es geht schneller, wenn du gehst«, sagte er, »falls du möchtest.«
    »Das wäre nicht sehr höflich«, erwiderte Forger. »Ich begleite dich, bis wir in der Stadt sind.«
    Hanry grunzte. Forger wusste, der Schmerz vermieste ihm die Laune. Es wäre leicht, in den Mann hineinzulangen und den Schmerz zu verschlimmern … aber die Schreie würden Aufmerksamkeit auf sie lenken, und das wollte er nicht.
    »Pass mal auf, Hanry«, sagte er und senkte die Stimme. »Du hast mir einen Gefallen getan, und deshalb ist es nur recht und billig, dass ich mich erkenntlich zeige. Kannst du ein Geheimnis bewahren?«
    »So lange, bis ich ein paar Bierchen intus habe.«
    »Ich meine es ernst.«
    Hanry nickte. »Du kannst mir vertrauen.«
    »Es ist zu deinem eigenen Besten, glaub mir.«
    »Gut.«
    »In dem Fall will ich es dir anvertrauen: Ich kann selbst den einen oder anderen Faden wirken.«
    Hanry war überrascht. »Du bist ein Fadenwirker?«
    »Heilen kann ich dich nicht«, fügte Forger rasch hinzu, »aber wenn du möchtest, kann ich den Schmerz lindern.«
    Zögerlich leuchteten Hanrys Augen vor Hoffnung auf.
    »Trotzdem musst du unbedingt einen richtigen Heiler aufsuchen«, sagte Forger. »Nach dem, was ich mache, fühlst du dich zwar besser, aber die Geschwulst wird noch immer da

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