Der Herr vom Rabengipfel
du daran zweifeln?«
»Du sagst es mir nie.«
»Es fällt mir schwer, aber ich liebe dich seit langem, Laren.«
»Taby«, entgegnete sie. »Du hast immer Taby geliebt.«
»Ich werde ihn immer lieben wie meinen kleinen Bruder. Doch du bist die Frau, die mich durchs Leben begleitet, bis wir beide zu Staub zerfallen. Ich liebe dich wie ein Mann eine Frau liebt, wie mein Vater meine Mutter liebte. Ich habe dich gefunden, und ich werde dir immer wieder beweisen, wieviel du mir bedeutest.« Er küßte sie innig. »Doch ich schläfere dich mit meinen Liebesbeteuerungen ein. Ich möchte dich in mein Bett nehmen, dich in den Armen halten, in dir sein und mit dir verschmelzen. Ich möchte von dir hören, daß du mich liebst. Du hast mir das lange nicht gesagt, und ein Mann will das immer wieder von seiner Frau hören.«
»Ja, das ist sehr wichtig. Meine Gefühle für dich sind sehr stark, Merrik. Ich war der Meinung, du willst so etwas nicht von mir hören.«
»Du irrst. Sag mir, daß du mich liebst und komm mit mir zu Bett.«
»Ich liebe dich, Merrik. Aber ...« Sie stockte und lächelte zu ihm auf. »Warte noch ein wenig. Ich möchte erst das Wams fertignähen, bevor ich mit dir komme.«
Da blickte er auf die sorgsam gefaltete Näharbeit, hob sie hoch und warf sie Oleg zu. »Nimm Nadel und Faden und mach du das Wams fertig, Oleg. Wie du siehst, ist es wieder blau. Meine Frau kennt keine andere Farbe.« Oleg, den Arm um Megot gelegt, blickte völlig verdattert auf das Kleidungsstück, öffnete den Mund und klappte ihn dann wie ein Fisch wieder zu.
Merrik trug seine Frau aus dem großen Raum. Hinter seinem Rücken lachten die Männer verstohlen. Ihr kugelrunder Bauch drängte sich an seine Brust, und ihr warmer Atem hauchte an seinen Hals.
Mit ein wenig Glück würde es das Leben gut mit ihnen meinen — wenn es den Göttern gefiel, wenn keine neidischen Wikinger in Malverne einfielen, wenn keine Krankheiten ... Er gebot seinen Gedanken Einhalt. Das Leben nahm meist unerwartete Wendungen, doch in diesem Augenblick gab es keinen glücklicheren Mann als ihn auf Erden.
Leise raunte er in ihr Ohr: »Wann nähst du das Wams fertig? Die Farbe gefällt mir sehr gut.«
SCHLUSSBEMERKUNG
Rollo, der erste Herzog der Normandie wurde auch Rolf der Anführer genannt. Er war ein sehr hoch gewachsener Mann, der kaum ein Pferd reiten konnte, ohne daß seine Füße die Erde berührten. Wir wissen nicht viel über ihn. Überliefert ist allerdings, daß er im Jahre 911 mit dem Frankenkönig Karl III. in der Kapelle von St. Clairsur-Epte ein Abkommen traf, künftige Überfälle der Wikinger abzuwenden, um Paris vor Plünderungen zu schützen. Damit ersparte er dem König hohe Summen Lösegeld, sogenanntes Danegeld. Als Gegenleistung wurde Rollo von Karl III. mit dem fruchtbaren Gebiet der unteren Seine und der Stadt Rouen belehnt, das Rollo bereits besetzt hielt. Rollo wurde siebzig Jahre alt und gab erst im Jahre 930, drei Jahre vor seinem Tod, die Herrschaft an seinen Sohn Wilhelm Langschwert weiter.
Der Bruder des Herzogs, Hallad, dessen Sohn Taby, Hallads Töchter Laren, Helga und Ferlain sind Figuren, die ich erfunden habe. In meinem Roman ist Taby seinem Onkel Rollo sehr ans Herz gewachsen. Zu jener Zeit war das Leben ständig vom Tode überschattet und es genügte nicht, nur einen Erben und Nachfolger zu bestimmen, schon gar nicht für einen Herrscher, der eine Dynastie gründen wollte, wie dies Rollos Absicht war. Wilhelm der Eroberer, der England im Jahre 1066 unterwarf, war ein direkter Nachkomme von Herzog Rollo.
Rollo, der erste Herzog der Normandie (abgeleitet von der Bezeichnung Normannen), ist in der Kathedrale von Rouen bestattet. Die Totenmaske auf seinem Sarkophag zeigt das Antlitz eines auffallend schönen Mannes.
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