Der Hexenmeister
mittelalterliche Syntax eingebettet waren — als Stilisten zog Pater Domenico weiß Gott Roger Bacon vor. Aber da dieser hervorragende Anti-Magiker kein katholischer Ordensgeistlicher war, wurde er in diesen Kreisen nur von wenigen imitiert — . .. Immerhin schien es noch möglich, daß Pater Domenico den Sinn von Pater Ucellos Brief mißdeutet hatte. Aber nein: Bei der zweiten Lektüre stellte sich heraus, daß — wie verdreht und verschnörkelt das Latein dieses Schreibens auch war — der Sinn leider nur allzu eindeutig blieb.
Pater Domenico seufzte. Die Ausübung zeremonieller Magie, zum mindesten ihrer weißen Abart, mit der allein sich das Kloster befaßte, wurde immer unergiebiger. Ein Teil des Problems lag darin, daß die wichtigste traditionelle kommerzielle Anwendung der Zeremonialmagie darin lag, mit ihrer Hilfe verborgene Schätze zu finden. Nach Jahrhunderten derartiger Schatzsuche durch Hunderte von Schwarzen und Weißen Magiern gab es — vor allem, seit auch so technisches Zeug wie Metallspür- und Minensuchgeräte auf dem Plan erschienen waren — nur mehr verdammt wenige noch unaufgefundene Schätze. In den letzten Jahren hatte es sich bei den Schätzen, die von Geistern unter der Oberherrschaft von OCH und BETHOR angegeben wurden — wobei die Fachliteratur vor allem OCH die Fähigkeit zuschreibt, ›eine Börse, die vor Gold beinahe platzt‹, zu verleihen —, meist um gestrandete oder gesunkene Schiffe, oder um Orte wie Fort Knox oder die Schweizerische Staatsbank gehandelt. Die Hebung derartiger Schätze war aber ein so kostspieliges und unsicheres Unternehmen, daß sowohl für die Kunden als auch für das Kloster die Profitchancen arg zusammengeschmolzen waren.
Alles in allem hatten es die Schwarzen Magier eindeutig leichter — wenigstens in diesem irdischen Leben. Man mußte ja immer daran denken, erinnerte sich Pater Domenico eben noch hastig, daß sie ja dann auch der ewigen Verdammnis anheimfielen. Es war Pater Domenico so rätselhaft wie eh und je, warum höllische Geister vom Range eines LUCIFUGE ROFOCALE zum Beispiel bereit waren, so viel Macht in den Dienst eines Sterblichen zu stellen, dessen Seele die Hölle fast mit Sicherheit auch ohne diese Bemühungen bekommen hätte. Man muß dabei nur an den Charakter des durchschnittlichen Zauberers denken und daran, wie leicht solche Seelenverkaufskontrakte auch noch im allerletzten Moment gebrochen oder für ungültig erklärt werden konnten. Gleichermaßen konnte Pater Domenico nicht begreifen, daß Gott es zulassen konnte, wie so viel dämonische Böswilligkeit und Tücke durch den Schwarzen Magier auf Unschuldige losgelassen werden konnte. Aber hier handelte es sich lediglich um einen weiteren Aspekt des PROBLEMS DES BÖSEN, für das die Kirche längst die Lösung (oder eigentlich die Doppel-Lösung) von Erbsünde und freiem Willen gefunden hatte.
Man mußte sich auch vor Augen halten, daß auch die Ausübung Weißer oder Transzendentaler Magie offiziell eine Todsünde war, denn die moderne Kirche stand auf dem Standpunkt, daß jeglicher Verkehr mit Geistern eine Greueltat sei. Das traf auch auf die Nicht-Gefallenen zu, da derartige Kontakte notwendigerweise von der Annahme ausgingen, die Engel seien Halbgötter, Demiurgen oder andere kabbalistische, gottähnliche Wesen. In alten Zeiten freilich hatte man verstanden, daß (was natürlich nicht auf einen wirklichen Pakt mit den Jenseitigen zutraf) nur ein Mann von größter Heiligkeit und frommem Wandel, mit edelsten Absichten und im höchsten Zustand ritueller und spiritueller Reinigung und Reinheit darauf hoffen durfte, einen Dämon aufzurufen und Macht über ihn zu gewinnen. Für einen Engel aber waren die Bedingungen noch weit rigoroser. Aber seit dieser Zeit hatte es so viele Fehler und Schwächen der Motivation und schließlich auch der Durchführung gegeben, auch wohl in Praxis und christlicher Mildtätigkeit, daß die Kirche schließlich jegliche Theurgie in Acht und Bann getan und sich lediglich ein kleines, negatives Teilgebiet der Magie vorbehalten hatte: nämlich die Geisteraustreibung, bzw. den Exorzismus, und auch diese durfte nur unter den allerstrengsten kanonischen Beschränkungen ausgeübt werden.
Selbstverständlich besaß Monte Albano eine besondere Dispens — teilweise weil die weißen Mönche einst mit so erstaunlichem Erfolg zur Auffüllung der Budgetmittel des Vatikans beigetragen hatten; teilweise wohl auch, weil das durch die transzendentalen Riten
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