Der Hexenmeister
gewonnene Wissen manchmal sozusagen die ›Seele des Felsens von St. Peter‹ genährt hatte; und — zu einem kleineren Teil — wohl auch, weil unter außergewöhnlich seltenen Umständen Weiße Magie auch dazu dienen konnte, das leibliche Leben zu verlängern. Diese Quellen aber (um die Metapher zu ändern) schienen nun am Versiegen zu sein. Es war daher durchaus möglich, daß die päpstliche Dispens heute oder morgen zurückgezogen wurde — was das Ende des letzten Hortes Weißer Magie auf Erden bedeutet hätte.
Das aber würde der Schwarzen Magie Tür und Tor öffnen. Es gab keine Zentren Schwarzer Magie — wenn wir einmal von den Pariser Brüdern des Linken Weges absehen. Diese aber waren Romantiker der Schule des Eliphas Levi und verdienten eher Mitleid für ihre Narretei als daß man sie um des Bösen, das sie zu tun versuchten, verdammt hätte. Aber es gab leider noch eine beunruhigend große Zahl selbständiger Schwarzer Magier — eine Brut, von der einer schon zu viel für diese Welt gewesen wäre.
Und damit war Pater Domenico wieder bei dem Brief angelangt. Er seufzte noch einmal, wandte sich von seinem Lesepult ab und stapfte von dannen (die Brüder vom Monte Albano gehörten einem barfüßigen Orden an). Er begab sich zum Büro des Direktors. Dabei trug er den Brief immer noch in der Hand. Pater Umberto war da (physisch war er natürlich immer da, wie all die anderen, da die Brüder den Berg normalerweise nicht verlassen durften, wenn sie ihn erst einmal betreten und die Weihen empfangen hatten. Nur die Laienbrüder durften auf Maultieren hinab- und hinaufreiten und Proviant bringen), und Pater Domenico kam sofort zum Kern der Sache.
»Ich habe einen neuen leidenschaftlichen Bericht unseres Hexenriechers bekommen«, sagte er. »Jetzt beginne ich selbst — mit Widerstreben — zu glauben, daß die Angelegenheit mindestens so ernst ist, wie er schon die ganze Zeit behauptet.«
»Ich nehme an, du meinst die Sache mit Theron Ware.«
»Ja, natürlich. Dieser amerikanische Rüstungsmagnat ist von uns direkt zu Ware gegangen. Das schien ja schon damals wahrscheinlich. Pater Ucello sagt nun, es bestünden alle Anzeichen dafür, daß eine weitere Serie von ›Sendungen‹
dort in Positano vorbereitet würde.«
»Ich wollte, du könntest dir diese Alliterationen abgewöhnen. Sie erschweren es einem nur, herauszufinden, wovon du eigentlich sprichst. Ich habe oft das Gefühl, daß der Übergang in Alliterationen oder zu grammatikalischen und syntaktischen Tricks ein Zeichen dafür ist, daß der Sprecher selbst nicht genau weiß, was er sagen will, das aber vor mir zu verschleiern versucht. Aber das nur nebenbei. Was nun den Dämonenanbeter Ware anlangt, steht es uns leider — was immer er auch planen mag — nicht frei, uns ihm in den Weg zu stellen.«
»Der Stil meines Vortrages ist von Pater Ucello geliehen. — Er besteht jedenfalls darauf, daß wir etwas unternehmen. Er hat sich mit der anderen Welt in Verbindung gesetzt — daraus kann man schon ersehen, wie ernst er, der alte Purist, die Sache nimmt —, und er sagt, daß sein Kontakt (dessen Identität er mit großer Mühe geheimhält) ihm berichtet habe, das Zusammentreffen zwischen Ware und Baines sei ein Vorzeichen einer weltweiten Katastrophe. Nach seinen Informationen hat die Hölle seit der Geburt der beiden nur auf ihr Zusammentreffen gewartet.«
»Ich nehme an, er hat sich vergewissert, daß sein Informant nicht etwa selbst ein Dämon ist, der ihm da etwas vorgeschwindelt hat oder ihn doch vielleicht nur mit einer ihrer üblichen Prahlereien beeindrucken wollte. Wie du selbst ja eben indirekt gesagt hast, ist Pater Ucello völlig aus der Übung.«
Pater Domenico breitete die Hände aus: »Diese Frage kann ich natürlich nicht beantworten. Obwohl ich natürlich, wenn du es wünschest, Vater, das Was-immer-es-ist selbst zu beschwören versuche und ihm das Problem vorlegen kann. Aber du weißt selbst nur zu gut, wie leicht es möglich ist, daß ich den falschen erwische — und wie schwer es auch ist, die rechte Frage zu stellen. Die großen Gouverneure scheinen keinerlei Zeitsinn — so wie wir ihn verstehen — zu besitzen, und was die Dämonen anlangt, nun, selbst wenn wir Macht über sie haben, so wissen sie doch oft wirklich nicht so recht, was außerhalb ihres ureigensten Macht- und Wirkungsbereiches los ist.«
»Das ist leider völlig richtig«, sagte der Direktor, der selbst die Kunst auch schon seit Jahren nicht mehr ausgeübt
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