Der Hexenmeister
würde man mir einen Betrugsprozeß anhängen. Wenn ich mich aber dann verteidigen und erfolgreich den Wahrheitsbeweis dafür antreten wollte, daß ich wirklich ein Magier bin, dann würde ich mich bald in der Gaskammer befinden. Wenn ich mich aber nicht auf diese Art verteidigte, dann schriebe man mich einfach »wieder als einen dieser Scharlatane« ab. In Europa aber kann ich ruhig behaupten, ich sei ein Magier. Solange ich meine Klienten zufriedenstelle, läßt man mich in Ruhe. Caveat emptor. Sonst müßte ich ja doch dauernd kleinkarierte Politiker und Buchsachverständige umbringen, was kaum der Mühe wert ist. Und jetzt können Sie das Ding da abdrehen.«
Aha, es war also mit diesem Kerl doch nicht alles in Ordnung. Er nützte den Aberglauben der Leute aus. Als Mitglied der Reformierten Orthodoxen Agnostischen Kirche kannte sich Jack Ginsberg mit allen Einzelheiten solcher psychologischer Spekulationen aus — vor allem mit dem, was er die
>doppelte Buchhaltung« der Sache nannte. Er sagte also gewandt :
»Ich verstehe vollkommen. Aber haben Sie denn nicht — vor allem hier in Italien — beinahe ebensoviel Schwierigkeiten mit der Kirche, wie Sie daheim in den Staaten mit der Regierung hätten?«
»Nein, unter einem liberalen Pontifikat durchaus nicht. Die moderne Kirche ist bemüht, bei ihrer Anhängerschaft gegen den Aberglauben aufzutreten. Ich habe schon seit Jahrzehnten keinen Prälaten mehr kennengelernt, der an die buchstäbliche Existenz von Dämonen geglaubt hätte — obwohl freilich einige der Orden besser unterrichtet sind.«
»Schon, schon«, sagte Jack und ließ dann freudig erregt seine Falle zuschnappen. »Es will mir scheinen, Herr Doktor, als übertrieben Sie ein wenig — und als seien Sie mit uns überdies auch nicht völlig aufrichtig gewesen. Wenn Sie wirklich Macht über all diese großen Prinzen und Präsidenten haben, so könnten Sie dem Chef ebensogut eine Frau verschaffen, wie Sie einen Schatz oder einen Mord liefern können.«
»Natürlich könnte ich das«, gab der Magier nun schon etwas müde zu. »Ich merke, Sie haben sich in die Materie schon ein bißchen eingelesen. Aber ich habe Dr. Baines doch schon erklärt — und ich erkläre es Ihnen nun noch einmal —, daß ich nur auf Gewaltverbrechen spezialisiert bin. Also, Herr Ginsberg, Sie wollten mir doch einen Scheck für einen Spesenvorschuß ausstellen . . .?«
»Ja, ja, das stimmt schon . . .« Jack zögerte noch immer. Schließlich sagte Ware mit feinfühliger Höflichkeit:
»Kann ich vielleicht noch sonst irgendwelche Zweifel zerstreuen helfen, Mr. Ginsberg? Ich bin immerhin Doktor der Theologie. Oder wollen Sie mir vielleicht privat einen Auftrag geben?«
»Nein«, sagte Jack, »nein, eigentlich nicht.«
»Es besteht für Sie wirklich kein Grund, schüchtern zu sein. Es ist völlig offensichtlich, daß Ihnen meine Lamia gefällt. Und, um der Wahrheit die Ehre zu geben, es fehlen ihr all jene ärgerlichen Eigenschaften, die Sie an irdischen Menschenfrauen so sehr stören . . .«
»Verdammt noch einmal. Hab’ ich es mir doch gedacht, daß Sie Gedanken lesen können! Da haben Sie also auch diesbezüglich gelogen!«
»Ich lese keine Gedanken, und ich lüge nie«, sagte Ware. »Aber ich verstehe mich leidlich darauf, aus Gesichtszügen und -ausdruck zu lesen und Somatotypen oder den Phänotypus eines Menschen zu interpretieren. Das erspart mir viele Enttäuschungen, Schwierigkeiten und eine Menge überflüssiger Zauberei. Wollen Sie also das Geschöpf oder nicht? Ich kann sie natürlich auch völlig unsichtbar zu Ihnen schicken.«
»Nein.«
»Nicht unsichtbar. Sie tun mir leid. Nun denn, mein gottloser und lustloser Freund, dann sagen Sie es mir eben selbst: was wollen Sie eigentlich? Ihr dienstlicher Auftrag ist schon längst erledigt. Kotzen Sie es also endlich heraus: Was wollen Sie?«
Einen atemlosen Augenblick lang war Jack nahe daran, es zu bekennen, aber der Gott, an den er nicht mehr glaubte, stand hinter ihm. — Er füllte den Scheck aus, unterschrieb ihn, und wollte ihn Ware reichen. Das Mädchen (nein, nicht ein Mädchen) kam ins Zimmer und nahm den Scheck.
»Auf Wiedersehen«, sagte Theron Ware.
Wieder einmal hatte Jack die Gelegenheit verpaßt.
3
Voll Hoffnung las Pater Domenico den Brief noch einmal. Getreu seinem Namensheiligen befleißigte sich Pater Ucello eines augustinischen Stils voll seltener und archaischer Worte, daneben wieder ausgesprochene Neologismen, die in
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