Der Hexer - NR03 - Cthulhu lebt!
ganzen Tag über war es nicht richtig hell geworden. Die tief hängende Decke aus grauen Regenwolken, in die sich hier und da noch immer Schneeregen mischte, war während des ganzen Tages nicht aufgerissen, so daß die Dämmerung im Grunde nie aufgehört hatte, sondern nur ein wenig heller wurde, um jetzt, am Abend, wieder in die Schatten der Nacht hinüberzugleiten.
Die Straßen waren nur dünn bevölkert gewesen; einige wenige Fußgänger waren vorübergehastet, die Mantelkragen hochgeschlagen und die Hüte tief ins Gesicht gezogen, und ein paar Fuhrwerke hatten mit ihrem hellen Klappern die Stille durchbrochen.
Niemand hatte die Gestalten bemerkt, die sich dem dreistöckigen Haus am Ashton Place näherten. Es waren neun hochgewachsene schlanke Männer, in bodenlange dunkle Mäntel gehüllt, und ein zehnter, etwas kleinerer Mann, wie die anderen in lichtschluckendes Schwarz gekleidet, aber schlanker und vom Alter gebeugt.
Lautlos wie Schatten hatten die Männer die zwei Meter hohe Mauer überwunden, die den Park auf der rückwärtigen Seite des Anwesens umschloß. Dann waren sie, den Schutz von Bäumen und einzeln stehenden Ziersträuchern geschickt ausnutzend, bis zur Rückseite des Gebäudes vorgedrungen und mit den schwarzen Schlagschatten des Hauses verschmolzen. Die drei Hunde, die auf dem Gelände streunten, lagen tot in ihrem Blut, gut versteckt hinter einem Busch. Nicht einer von ihnen war auch nur dazu gekommen, ein warnendes Bellen von sich zu geben.
Sie warteten. Reglos, mit der Geduld von Männern, die gelernt hatten, Stunden – und wenn es nötig war, Tage – in der gleichen Stellung auszuharren, hockten sie da und warteten, bis die Nacht vollends hereingebrochen war und sich Dunkelheit wie eine finstere Decke über dem Park ausgebreitet hatte.
Dann begannen sechs von ihnen an der Wand emporzusteigen. Rasch und geschickt, mit sonderbaren, fließenden Bewegungen. Übergroßen schwarzen Spinnen gleich, glitten sie an der Mauer empor, umgingen geschickt Fenster und Balkone und erreichten in wenigen Augenblicken das oberste, dritte Stockwerk des Hauses. Hier, dicht unter dem burgartigen flachen Dach mit den angedeuteten Schmuckzinnen, gab es nur wenige Fenster, und sie waren alle vergittert.
Eine der Gestalten kletterte weiter, während die anderen reglos unter ihr warteten. Sie erreichte eines der Fenster, hielt sich mit der linken Hand an dem geschwärzten Ziergitter fest und machte sich mit der anderen am Mauerwerk zu schaffen. Eine Weile geschah nichts; nur ab und zu drang ein gedämpfter, metallischer Laut durch die Nacht. Dann bewegte sich der Mann wieder, verlagerte sein Gewicht und schwang scheinbar schwerelos vom Fenster weg, mit Zehen und Fingerspitzen Halt an winzigen Rissen und Mauervorsprüngen findend. Das Ziergitter löste sich aus seiner Halterung und fiel in die Tiefe. Der dichte, vom tagelangen Regen aufgeweichte Rasen verschluckte das Geräusch seines Aufpralles fast vollkommen. Während die Männer durch das Fenster glitten und im Inneren des Gebäudes verschwanden, richtete sich tief unter ihnen der Alte hinter seiner Deckung auf und sah sich um. Er spürte, daß sie nicht allein waren. Das Fremde war ihnen gefolgt, nicht unmittelbar, aber dichtauf. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis es das Haus erreichte und mit all seiner Macht zuschlug.
Aber Necron wußte, daß er sich auf seine Männer verlassen konnte. Sie spürten die Gegenwart des Bösen so deutlich wie er, aber anders als er wußten sie nicht, was es wirklich war. Es machte ihnen Angst, und sie würden alles tun, ihre Aufgabe zu beenden, bevor es das Haus erreichte. Das allein zählte.
Als der Alte das nächste Mal den Blick hob und nach oben sah, war von den sechs Männern keine Spur mehr zu entdecken. Mit einem zufriedenen Lächeln richtete er sich auf, bedeutete den drei anderen mit Gesten, zurückzubleiben, und huschte geduckt davon, auf die schwach erleuchtete Hintertür des Hauses zu.
Über ihm, im Inneren des Hauses, verharrten die sechs Männer kurz.
Der Raum, der hinter dem aufgebrochenen Gitter lag, war vollkommen leer. In der Luft hing der muffige Geruch alter Tapeten, und die Schritte der Männer wirbelten Staub auf, der seit einem Jahrzehnt nicht mehr berührt worden war.
Einer der Schatten huschte zur Tür und machte sich am Schloß zu schaffen. Ein helles, metallisches Klicken wie das Spannen eines Revolverhahnes durchbrach die Stille, dann schwang die Tür einen halben Fingerbreit nach außen,
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