Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers
Balestrano tat. Obwohl er einer der sehr wenigen Templer war, die jemals den Rang eines Masters erreicht hatten, hatte er nie verstanden, was es war, das ihn und die anderen hier im Raum von normalen Sterblichen unterschied. Er war ein ebenso begabter Magier wie die anderen hier, aber anders als Balestrano – oder auch Looskamp – bediente er sich der Kräfte, die ihm zur Verfügung standen, rein instinktiv. Er hatte niemals logisch begründen können, woher seine Macht kam. Vielleicht wollte er es auch nicht.
Aber gleich, was es war – de Laurec spürte, wie irgend etwas geschah. Unsichtbare Energien brachten die verbrauchte Luft in dem kleinen Zimmer zum Knistern. Ein unheimlicher, grünlichblauer Schein ließ die Luft erglühen, ohne daß de Laurec hätte sagen können, woher er kam, und im gleichen Moment glaubte er ein sanftes Tasten und Fühlen zu spüren, die unsichtbare Berührung der sechs anderen Geister, die sich gleich ihm auf die magische Welle des Kristallgehirnes einzuschwingen versuchten...
De Laurec unterdrückte ein Schaudern. Es war – seines Wissens nach – erst das dritte Mal in der gesamten Geschichte des Templerordens, daß sich eine so mächtige Loge zusammenschloß. Bei den beiden anderen Versuchen war es um nichts Geringeres als die Rettung der Welt gegangen. Und jetzt?
»Bruder Laurec!« Balestranos Stimme schnitt wie ein Peitschenhieb in seine Gedanken, und de Laurec fuhr erschrocken zusammen. Verwirrt ließ er Looskamps Hand los und wandte sich an den Großmeister. »Herr?«
In Balestranos Augen blitzte es zornig. »Beherrsche dich, Bruder«, sagte er streng. »Unsere Aufgabe ist wichtig. Das Leben zahlloser Menschen kann vom Gelingen unserer Mission abhängen. Diszipliniere deine Gedanken und beherrsche dich!«
De Laurec senkte ehrfurchtsvoll das Haupt, griff wieder nach den Händen seiner Nebenmänner und flüsterte eine Entschuldigung. Balestrano hatte recht. Ihre Aufgabe war zu wichtig, als daß er seinen Gedanken erlauben konnte, auf eigenen Wegen zu wandeln.
Erneut machte sich das lautlose Knistern und Beben magischer Energien in dem kleinen Kellerraum bemerkbar. Die Luft begann stärker zu glühen, bis der unheimliche grüne Schein das Licht der Kerzen überstrahlte und selbst durch de Laurecs geschlossene Lider stach. Der Franko-Araber glaubte ein ganz sachtes Vibrieren zu spüren, dann begann das Licht zu pulsieren; zuerst langsam, dann rascher und beinahe wütend, bis es in einen dunklen, an das Schlagen eines gewaltigen Herzens erinnernden Rhythmus fiel.
De Laurec öffnete die Augen – und stieß einen gellenden Schrei aus!
Das Zimmer hatte sich auf gräßliche Weise verändert. Auch aus dem Inneren des Kristallgehirns erstrahlte jetzt ein pulsierendes, giftiges Licht, ein Schein, so grell und gnadenlos, daß er die Gestalten der sechs anderen Templer zu flachen grauen Schemen verblassen und de Laurec die Tränen in die Augen steigen ließ. Schatten von unbestimmbarer Gestalt huschten in irrwitzigem Hin und Her durch den Raum, und plötzlich hatte de Laurec das Gefühl, in einen gewaltigen, grundlosen Schacht zu blicken, der sich vor ihm auftat.
Warum merken die anderen nichts? dachte de Laurec verwirrt.
Er versuchte, Looskamps Hand loszulassen, aber es ging nicht. Die Finger des Flamen waren steif geworden, und als de Laurec in sein Gesicht sah, erkannte er, daß das Antlitz des Flamen zu einer Maske des Entsetzens erstarrt war.
Mit verzweifelter Kraft riß er sich los, fuhr herum – und keuchte abermals vor Schrecken.
Er war der einzige, der sich noch bewegen konnte!
Nicht nur Looskamp war wie zur Salzsäule erstarrt. Außer de Laurec selbst standen die Mitglieder der Templer-Loge reglos wie menschengroße Statuen da, mit verzerrten Gesichtern und zum Teil in grotesken Haltungen, aber unfähig, sich zu bewegen oder auch nur einen Muskel zu rühren.
»Balestrano!« keuchte de Laurec. »Brüder! Was ist mit euch?«
Aber er bekam keine Antwort.
Und plötzlich fiel ihm auch die Stille auf.
Es war keine normale Stille, sondern ein Schweigen von gewaltiger, allumfassender Tiefe. Er hörte... nichts!
Verwirrt drehte sich der Puppet-Master des Templer-Ordens einmal um seine Achse, ließ den Blick über die Gestalten der Brüder schweifen und starrte schließlich wieder auf das Kristallgehirn herunter.
Etwas hatte sich daran verändert, aber er vermochte nicht zu sagen, was. Zögernd machte er einen Schritt auf den niedrigen Altartisch zu, ließ sich auf ein
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