Der Hexer - NR22 - Die Hand des Dämons
mich bei meinem Vorhaben schützen. Ich griff nach dem Stern, stemmte mich hoch und torkelte in die Nebelwand hinein. Der pestilenzartige Gestank drehte mir den Magen um. Ich kam nicht mehr gegen den Ekel an und erbrach mich würgend, ehe es mir gelang, meine Beine weiter vorwärtszubewegen.
Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, befand sich die Kreatur unmittelbar vor mir! Und diesmal hüllte kein Nebel sie ein!
Ich blickte auf brodelnden Urschlamm von einer Finsternis, zu der es kein materielles Gegenstück in unserer Welt gab. Das Monstrum erreichte mehr als die vierfache Größe eines Menschen. Seine Oberfläche befand sich in unablässiger Bewegung. Der Schädel des Wesens – oder zumindest das, was man für etwas Derartiges halten konnte – befand sich in Höhe meiner Brust. Er war bogenförmig nach hinten in die Länge gezogen, und ihm entwuchsen Tentakel, die sich gerade neu heranbildeten. Es gab nur ein Auge, eine irisierende Spirale von fast hypnotischer Wirkung. Ich schloß die Augen aus Furcht, mein Verstand würde mit dem schrecklichen Anblick nicht fertig werden.
Einen Augenblick zögerte ich noch, den letzten Schritt zu tun, von einer kreatürlichen Angst vor dem überwältigt, was mit mir wirklich geschehen würde. Aber der Plan, von einem anderen Wesen ersonnen, beherrschte mein Gehirn wie ein flammendes Fanal.
Ich ließ mich vorwärts fallen, auf den gestaltgewordenen Schrecken zu, der wie unter einem inneren Feuer brodelte und pockige Blasen warf.
Und drang ein in das Wesen aus Urschlamm und totem Fleisch…
* * *
Mechanisch bewegte Jeff die Beine und ignorierte die beißenden Seitenstiche. Er wußte nicht, welchen mysteriösen Umständen er seine unverhofft wiedergewonnene Freiheit zu verdanken hatte, aber er war entschlossen, diese letzte Chance zu nutzen. Craven hatte irgend etwas gemacht, und es interessierte Jeff Conroy nicht im mindesten, was es war.
Er war in einen Strudel schrecklicher Geschehnisse hineingerissen worden, mit denen er sich nicht näher beschäftigen wollte. Was er erlebt hatte, reichte aus, ihn sein ganzes Leben nicht mehr unbefangen durch die Welt gehen zu lassen.
Er dachte an Robert Craven, den geheimnisvollen Besitzer der ATC. Der Gedanke war wie ein eisiger Hauch, der seine Seele streifte. Ein finsteres Rätsel umgab diesen Mann wie eine Aura. Jeff hatte geglaubt, ihn in den gemeinsam verbrachten Stunden kennengelernt zu haben, aber je mehr er darüber nachdachte, desto mysteriöser wurde Craven ihm.
Möglicherweise war er selber ein solches Monstrum wie das Ding, das sie in der Höhle angegriffen hatte. Eine Bestie, die sich nur durch ihre menschliche Maske von dem Ding unterschied. Und was um alles in der Welt war mit seiner Hand geschehen? Dieses Monster hatte ihn auch an anderen Stellen des Körpers berührt, ohne daß sie sich verändert hatten. Das alles war doch nur eine billige Ausrede.
Jeff rannte immer weiter. Er mußte bereits mehr als eine halbe Meile zurückgelegt haben, ohne daß der Boden auch nur im geringsten anstieg.
Jeff spielte mit dem Gedanken, umzukehren, verwarf ihn aber sofort wieder. Eine Umkehr würde bedeuten, sich erneut in die Höhle vorzuwagen, in der das krakenhafte Ungetüm lauerte. Es gab nur einen Weg, und der führte weiter nach vorn, in die Ungewißheit hinein, so schrecklich der Gedanke auch anmutete.
Seine Lungen brannten von dem anstrengenden Lauf, und jeder Atemzug schien sie mit flüssigem Feuer zu füllen. Die Beine schienen nur mehr Anhängsel seines Körpers zu sein, die ein gespenstisches Eigenleben entwickelt hatten und ihn immer weiter trugen. Jede Faser seines geschundenen Körpers schrie nach einer Pause, um zumindest kurz zu verschnaufen, aber er gab diesem Verlangen nicht nach. Weiter, immer weiter, weg von dem, was hinter ihm lauerte.
Mit einem Mal stieg der Boden an. Neue Hoffnung überflutete den Jungen. Er raffte noch einmal alle Kraft zusammen und lief noch schneller. Er war auf dem richtigen Weg! Der Stollen würde ihn zur Erdoberfläche zurückbringen, dorthin, wo es Menschen und Pflanzen und Tiere gab, und das helle Licht der Sonne!
Als er die Granitwand vor sich aufwachsen sah, war es zu spät, um den Lauf noch abzubremsen. Jeff Conroy prallte aus vollem Lauf gegen den Fels und schlug sich die Stirn blutig. Die Fackel entfiel seinen kraftlosen Händen. Benommen sank er an der Wand entlang zu Boden.
Er war in einen toten Arm gelaufen, einen Stollen, aus dem es nur den einen Ausweg gab,
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